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Max Weber (German Edition)

Max Weber (German Edition)

Titel: Max Weber (German Edition)
Autoren: Dirk Kaesler
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gibt es keine institutionellen Barrieren gegen die Pervertierung des Rechtsstaats. Und auch die Demokratie funktioniert nur, wenn es ein dafür reifes Bürgertum gibt, und genau das war Webers ewige Sorge, dass dieses weder in Preußen noch im übrigen Deutschen Reich vorhanden sei.
    Die Namen zweier Orte außerhalb Preußens chiffrieren Anfang und Ende dieses Lebens: Die Entscheidungsschlacht im Deutsch-Dänischen Krieg um die Düppeler Schanzen markieren symbolisch das Geburtsjahr 1864, das Inkrafttreten des Versailler Friedensvertrags das Todesjahr 1920. Über dem Beginn liegt der machtvolle Schatten Otto von Bismarcks, am Ende wissen wir Heutigen um den fahlen Schatten Adolf Hitlers. Begrenzt von diesen beiden Schattenbildern lebte und arbeitete Weber, als zu spät Geborener im Verhältnis zu Bismarck und als gerade noch «rechtzeitig» Gestorbener, der die Saat seiner eigenen Zeit nicht mehr aufgehen sehen musste.
    Die vielfältigen Bilder vom Menschen Weber verbinden vor allem zwei Motive: das des Genies und das des Propheten. Die Wahrnehmung einer genialen Dämonie Webers finden wir in zahlreichen Berichten seiner Zeitgenossen, von denen manche das Kämpferische und zugleich das Zerrissene an diesem preußischen Deutschen notierten. Der Philosoph Karl Jaspers, der Weber zeit seines Lebens so rückhaltlos bewunderte, sah in ihm die «Tragödie eines modernen Menschen». «Seine Zerrissenheit war unaufhebbar: ein Mann, den man auf keinen Nenner bringen kann, bei dem mir ganz unheimlich zumute wird […].»
    Die vor allem in seiner Zeit als Mitglied der Heidelberger Burschenschaft Allemannia und während seiner Zeit als Einjährig-Freiwilliger beim Militär errungene «Schneidigkeit» machte sich vor allem auch bemerkbar in seiner ständigen Bereitschaft zum Kampf gegen alle und jeden, was der scharfe Beobachter und Wiener Bankier Felix Somary leicht ironisch einzuordnen versuchte: «Max Weber war ein nervöser Stürmer […] Er kämpfte immerfort, auch wenn es sich um kleinste lokale Dinge handelte. Das Eruptive in seinem Wesen war so stark, daß es zur Intoleranz werden konnte. Wer ihn nicht näher kannte, konnte leicht bei der ersten Berührung abgestoßen oder gar erschreckt werden.» Weber gehörte zu jenen Menschen, die als systemisch Denkende die Welt gedanklich zu ordnen suchen. Solche Menschen mögen die bedeutendsten Denker werden, ihren Mitmenschen sind sie zeit ihres Lebens eine Plage. Aber auch sich selbst sind sie oft eine Mühsal, denn sie merken, dass sie mit anderen im Grunde nichts anzufangen wissen.
    Einzig zwei Frauen in seinem Leben – Helene Weber, seiner Mutter, und Marianne Weber, seiner Ehefrau – konnte Weber gefühlsmäßig einigermaßen treu bleiben, ungeachtet aller Turbulenzen auch in diesen beiden jahrzehntelangen Beziehungen. Mit Männern gelang ihm das in keinem Fall, alle seine Freundschaften wie etwa diejenigen mit Edgar Jaffé, Robert Michels, Friedrich Naumann, Ernst Troeltsch zerbrachen zumeist an seiner brüsken Beendigung der Beziehung. Vor allem die wichtigste Frau in seinem Leben – seine Mutter – bot ihm jenen Halt und jene gefühlsmäßige Zuflucht, den das ängstliche Kind in diesem körperlichen Hünen so lebensnotwendig brauchte. Dass Weber fünf Monate nach dem Tod seiner Mutter stirbt, muss man nicht für Zufall halten.
    Wodurch auch immer man einen Menschen «geprägt» sehen möchte, ob durch die Geburt im Sternzeichen des Stiers oder durch den Hormonhaushalt, ob nun beeinflusst durch genetische Dispositionen in seinen Herkunftsfamilien oder durch frühkindliche Erlebnisse, ob durch die Erziehungstraditionen im Elternhaus oder jeweils aktuelle Auslöser: Alles dies untrennbar miteinander verbunden, führte bei Weber zu einem ausgeprägten Maß an Realismus und Ordnungsbewusstsein. Indem er sich der ihn umgebenden sozialen Realität weitgehend anpasste, strebte er doch danach, seine gefühlsmäßige Sicherheit eher in geistigen Gesetzmäßigkeiten, im Gefühl des Eingebettetsein ins große Ganze zu begründen als bei anderen Menschen.
    Viele Menschen, die in seinen unmittelbaren Bann gerieten, berichten, dass ihn die Details der Dinge oft schnell zu langweilen begannen, sobald er die vermeintlich ganz großen Zusammenhänge zu verstehen glaubte. Webers vorsichtige, rationale und ordnende Seiten führten dazu, sich stark für Gesetze, Vorschriften, Prinzipien und Normen sowohl der eigenen sozialen Gruppe als auch der anderer Ausprägungen von
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