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Max Weber (German Edition)

Max Weber (German Edition)

Titel: Max Weber (German Edition)
Autoren: Dirk Kaesler
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Vergemeinschaftung und Vergesellschaftung zu interessieren. Weber nahm seinen «Beruf» sehr ernst und setzte sich für ihn bis an das Ende seines Lebens mit viel Ausdauer ein. Nur, was war sein «Beruf»? Bestimmt keine Tätigkeit, die auf ein «Berufsziel» ausgerichtet war. Sein «Beruf» – im Sinne von «Berufung» – war es, zu wissen, zu verstehen, sich und den anderen die ganz großen Zusammenhänge zu erklären. Dies aus der beruflichen Tätigkeit des besoldeten Universitätslehrers heraus zu unternehmen verstand sich für Weber keineswegs von selbst. Es kollidierte geradezu damit, wie uns der Hilfeschrei des 54-Jährigen signalisiert: «Aber ich bin doch ein Gelehrter und aus Gesundheitsgründen leider kein Lehrer mehr.»
    Selbst wenn ihm seine angeborene Ängstlichkeit und Scheu nachhaltig verwehrten, die sinnlichen Freuden des Lebens unbefangen zu genießen, und ihn auf geistige Ziele und universelle Ideen ausrichteten, so wird man sich davor hüten müssen, ihn als intellektuellen Feingeist wahrzunehmen. Das versuchte der 29-Jährige auch seiner Verlobten, Marianne Schnitger, zu vermitteln: «Du glaubst gar nicht, wie geringen Respekt ich vor der sogenannten ‹geistigen Bildung› habe; kräftige Unbefangenheit der Empfindung und in praktischer Tätigkeit imponiert mir – vielleicht weil sie mir selbst abgeht […] Nichts ist mir gräulicher als der Hochmut der ‹geistigen› und ‹gelehrten› Berufe.»
    Jedoch, das (selbst gewählte) Schicksal wollte es, dass ihm diese kräftige Unbefangenheit und eine praktische Tätigkeit sein Leben lang – außer vielleicht in der kurzen Zeit seiner Studenten- und Soldatenerlebnisse – unzugänglich blieben, trotz aller Sehnsucht danach. Und so richtete sich sein grenzenloses Interesse auf alles, was sein Bewusstsein erweitern konnte. Lernen und Wissen spielten in diesem Leben die alles entscheidende Rolle, alle Gedankengebäude, vor allem jene, die von religiösen Deutungssystemen errichtet worden waren, übten eine erhebliche Faszination auf ihn aus.
    Die Überfülle seiner logisch-denkerischen Fähigkeiten, seine überragende Kombination von Abstraktionsvermögen und realistischer Detailbezogenheit ließen seine kreativen Fähigkeiten allerdings weitgehend verkümmern. Scharfsichtige Beobachter, wie beispielsweise der Ökonom Edgar Salin, nahmen das intuitiv wahr: «Im Gegensatz zu seinem Bruder [war] Max Weber ein tief a-musischer Mensch […]. Wohl war sein Geist wach genug, um die Größe der Musik, der Architektur und der Dichtung zu spüren; aber er besaß keinen unmittelbaren Zugang zur Kunst, sondern schuf sich und benutzte seine ‹Soziologie›, um mittelbar durch begriffliche Erkenntnis die Gebilde zu fassen, zu denen ihm der Erlebnis-Weg versagt war.» Vor lauter Nüchternheit, Sachlichkeit und Objektivität war dem Menschen Weber die spontane Lebensfreude abhanden gekommen. Es war ihm nicht vergönnt, zu seinen früh verschütteten spielerischen, impulsiven Seiten (zurück) zu finden, die er schon als Kind zu unterdrücken gelernt hatte. Die Trennung von diesen Wurzeln seiner Existenz war es dann wohl auch, die ihn bei der Frage nach dem Sinn des Ganzen in Verzweiflung und Resignation stürzte, ihn in innere Düsternis verbannte und ihm den Weg zu einer lebensfrohen Existenz verbaute. Aber sie half ihm dabei, in einfallsreicher Manier aus den Konventionen des zeitgenössischen Denkens auszubrechen.
    Wenn auch manches dafürspricht, dass Weber von seinem gefühlsmäßigen Fundament getrennt war, so galt das gewiss nicht für seine sozialen Wurzeln. Sein Leben lang präsentierte er sich als selbstbewusstes Mitglied der bürgerlichen Klasse. So sagt der 30-Jährige in diversen Zusammenhängen von sich selbst: «Ich als klassenbewußter Bourgeois kann das ohne Verdacht der Befangenheit konstatieren.» Auch der 43-Jährige entgegnet mit Stolz: «Bitte sehen Sie meine Ihnen so rätselhafte Rede doch einfach als Speech eines klassenbewußten Bourgeois an die Feiglinge seiner eignen Klasse an.» Und als 47-Jähriger präsentiert er sich seinen Mitmenschen so: «Ich selbst trage meinen Namen von westfälischer Leinwand und verleugne den Stolz auf diese bürgerliche Herkunft nicht.»
    Die hier nur angedeuteten psychologischen Dispositionen und soziologischen Hintergründe Max Webers stehen nicht im Mittelpunkt dieser Studie. Auch kann sein umfangreiches wissenschaftliches Werk hier nicht in Gänze gewürdigt werden. Vielmehr soll gezeigt werden, wie eng
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