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Max Perplex

Max Perplex

Titel: Max Perplex
Autoren: Hen Hermanns
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way< von Miles Davis. Ich wechselte über zu >Rigoletto<. Nach dem ersten Akt löste sich der Stau auf, aber als Rigoletto rauskriegte, daß der Herzog seine Tochter flachgelegt hatte, stand ich im Spessart schon im nächsten Stau. »Padre, Padre!« sang Joan Sutherland so süßlich, wie es keine andere kann, und es fing an zu regnen. Die Blechbüchsenarmee kam nur schrittweise weiter. Nach dreißig Minuten stop and go sah ich dann die Sauerei auf der linken Spur. Ein Golf oder das, was mal ein Golf gewesen war, hatte sich mit der Leitplanke zu irgend etwas Unsäglichem verflochten. Davor eine Plane, unter der noch die Füße des Golfbesitzers herausschauten. Ob er den Wagen vor seinem Tod noch ganz abbezahlt hatte? Nachdem sich meine Vorfahrer alle satt gesehen hatten, ging es dann auf einmal zügig weiter, und der Stau löste sich nach und nach auf. »La donna è mobile«, grellte Pavarotti olivenölig. Ich hatte einen Mordshunger, aber das Rasthaus im Spessart wollte ich mir ersparen. In Würzburg würde es schon irgendwas Fränkisch-Deftiges geben. Was es über das Kulinarische hinaus in Würzburg geben würde, war mir noch nicht ganz klar. Ich wußte noch nicht mal, wo Alwine wohnte. Ich war jetzt fast vier Stunden auf der Autobahn und fragte mich, worüber ich in dieser Zeit wohl nachgedacht hatte. Ich konnte mich an nichts erinnern. Fahren auf der Autobahn machte mich leer. Es war, als würde ich mich auf einen Punkt an einer weißen Wand konzentrieren, mit dem Motorengeräusch als Mantra. Vielleicht war das ewige Autofahren der Grund für den Geisteszustand der Deppenrepublik. In Amerika gab es einen Neurochirurgen, der schon seit langem die Transplantation eines menschlichen Kopfes plante. Ein Patient mit unheilbarem Magenkrebs zum Beispiel, meinte er, könnte einfach den intakten Körper eines Unfallopfers erhalten, dessen Schädel und Gehirn zerstört wären. Der Patient würde zwar gelähmt bleiben, weil man die Nerven des Rückenmarks nicht mit dem Gehirn verbinden kann, aber immerhin, das war doch schon mal was. Ich fragte mich nur, warum man Köpfe retten sollte, die mit nichts anderem als der Sucht nach Bier, Ordnung und den Original Oberkrainern gefüllt waren. Max Reinartz, Menschenfeind. Wenn ich wenigstens noch einen Schäferhund gehabt hätte, um seibernd erklären zu können, daß der Mensch schlecht und nur der Hund treu sei. Aber ich mochte auch Tiere nicht besonders, und Hunde schon gar nicht. In den Lautsprechern war gerade zu verfolgen, wie Rigoletto den Sack aufmachte, in dem seine frisch abgestochene Tochter lag. Das Leben war schlecht, aber Verdi hatte wenigstens ein paar gute Soundtracks dazu geschrieben.

    Ich nahm die Ausfahrt Stadtmitte und stand nach knapp einem Kilometer schon wieder in einem Stau. Der Regen hämmerte aufs Dach, die Scheibenwischer surrten, und aus dem Autoradio kam nach einem grauenhaften Da-da-dadü-dadüda, das Kenner als die Fanfare des bayerischen Verkehrsfunks zu fürchten wissen, die guttural vorgetragene Meldung, daß der beschissene Stau im Spessart sich aufgelöst habe. Von diesem Stau hier wußte man im aktuellen Verkehrsstudio noch nichts. Ich fuhr ungefähr 300 Jahre lang zwei Meter, bremste, fuhr wieder zwei Meter, bremste und so weiter, und ruck-zuck war ich in der Innenstadt. Ich fuhr orientierungslos zweimal durch einen Kreisverkehr und dann auf gut Glück in irgendeine Straße. Sie hieß Semmelstraße, und das fand ich irgendwie gemütlich. Am Ende der Straße war ein Hotel namens >Goldene Gans< und weil ich jetzt auch mit den Nerven am Ende war, beschloß ich, hier zu übernachten. Ich fand natürlich keinen Parkplatz, versuchte, um den Block zu fahren, geriet in ein verzwicktes Einbahnstraßen- und Gassensystem und fand dann doch mit viel Glück wieder zum Hotel zurück, wo auf einmal auch ein Parkplatz frei war. Hotel war vielleicht etwas zuviel gesagt, es handelte sich um eine Art bessere Pension mit angeschlossenem Restaurant. Aber immerhin hatten sie ein Zimmer für mich, und ich mußte auch keine Anmeldeformulare ausfüllen. Ein grantiger alter Knacker in einem grauen Jankerl gab mir einen Zimmerschlüssel, und ich kämpfte mich ein paar knarrende, schlechtbeleuchtete Stiegen hoch. Das Zimmer war ziemlich heruntergekommen. Die Tapeten mußten noch die Ausläufer der letzten Eiszeit erlebt haben. Statt eines Badezimmers gab es nur eine Duschkabine und ein Spülbecken neben dem Kleiderschrank. Die Toilette war auf dem Flur. Generationen von
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