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Max Perplex

Max Perplex

Titel: Max Perplex
Autoren: Hen Hermanns
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blätterte voller Vorfreude in der Speisekarte. Beim Huhn in Calvadossauce blieb ich hängen.
    »Excuse me, do you mind, if I?«
    Ich blickte auf. Vor meinem Tisch stand eine Art Stephen-Stills-Verschnitt. Ohne Gitarre, Jeans, Crosby, Nash & Young, dafür mit einem ziemlich teuren Nadelstreifenanzug.
    »I don’t mind«, sagte ich, »sit down.«
    Warum nicht eine kleine Unterhaltung mit einem amerikanischen Touristen.
    »Hi«, sagte er, »my name is Wesley, I’m from Oregon.«
    »Nice to meet you, Wesley, I’m Max from Cologne.«
    Und schon führten wir eines dieser Touristengespräche, die überall gleich sind, egal, ob man sich in der >Goldenen Gans< oder in Nepal trifft. Wo kommst du her, wo willst du hin, was hast du alles schon gesehen, und ist das alles nicht outstanding und marvellous und geradezu outrageous?
    Als Signora Fellini mit dem Bestellblöckchen auftauchte, hatte ich Wesley bereits die Speisekarte übersetzt, und wir bestellten beide Huhn in Calvadossauce. Ich bot ihm von meinem Iphöfer an, aber er wollte lieber Mineralwasser.
    »I should warn you«, sagte ich, »there might be cholesterol in the sauce.«
    »I’m not a fanatic. I like wine, but yesterday I had one too many.«
    »You Oregon people live very healthy, don’t you ?«
    »You bet. Health is our middle name. And we’re surrounded by nature. Nature, nature, nature. You probably know the redwoods.«
    »Sure, these big old trees. I always wondered why you folks are so crazy about the Black Forest. You have those trees at home.«
    »Yeah, we have millions of them. You are heading down the highway, and there are millions of trees right at the curb. Countless. But leave the road and go into the woods for a hundred yards, and you won’t see no trees any more. The timber companies cut it all down. Never believe what you’ve been told. Nor what you see.«
    Der Mann war richtig weise. Dabei war er kaum älter als ich.
    Signora Fellini brachte die Calvadoshühner.
    »Guten Appetit«, sagte ich, »you don’t speak German?«
    »Dankeschön, Wiedersähn, Prost, that’s all.«
    »That’s a lot. Schmeckt lecker.«
    »What?«
    »I mean, it’s great.«
    »Schmäkt läkör.«
    »You are sure, you don’t like a glass of wine?«
    »O. k., to hell with discipline.«
    Wir stießen an.
    »Let the good times roll!«
    Einen Bocksbeutel später sah ich auf die Uhr und kriegte einen Schreck. Es war zwanzig vor acht. Ich verabschiedete mich so schnell und höflich, wie es ging, rief Signora Fellini zu, sie solle alles auf die Rechnung setzen, und stürzte die Treppen zu meinem Zimmer rauf, um meinen Mantel zu holen. Der angemachte Camenbert, das Calvadoshuhn und der Iphöfer machten mich nicht gerade schneller. Und wachsamer schon gar nicht. Nachdem ich die zweite Treppe geschafft hatte, ging plötzlich das Licht aus. Ein stechender Schmerz im Hinterkopf, dann explodierte es grellrot, grün und violett, und dann sah ich gar nichts mehr und verlor das Bewußtsein.

19.

    Ich wachte im Halbdunkel auf. Ich lag auf einer Luftmatratze, hatte die Arme auf dem Rücken und konnte sie nicht nach vorn bringen. Es klirrte. Man hatte mir Handschellen angelegt. Langsam gewöhnte ich mich an die Dunkelheit und traute meinen Augen nicht. Ich dachte an die Zeit, als ich zehn oder zwölf war und mit einer Jugendgruppe zum Zelten fuhr. Ich dachte an die Zeit, als ich mit meiner ersten Freundin in Holland in einem Zelt übernachtete. Aber hier wurden weder Lieder aus der Mundorgel gesungen noch sexuelle Erfahrungen gesammelt. Hier wurde die Ziegler-Nummer durchgezogen. Man hatte mir eins über die Rübe gegeben, mich verschleppt und in ein Zelt gelegt. Ich richtete mich auf und krabbelte auf den Knien zum Zeltausgang. Auch draußen Halbdunkel. Betonwände, Steinboden. Das Zelt war in einem Keller. Was sollte dieser Scheiß? Ich sah auf meine Uhr, auf die ich immer so stolz war, weil ich sie noch von Hand aufziehen mußte. Sie war stehengeblieben. Ich mußte dringend pinkeln. Hervorragend. Da stand auch ein Plastikeimer, genauso, wie Ziegler es mir erzählt hatte. Wie kommt man an den Reißverschluß, wenn man die Hände auf den Rücken gefesselt hat? Überhaupt nicht. Ich zerrte meine Jeans von hinten herunter und wand mich wie ein Entfesselungskünstler. Dann brachte ich auch noch die Boxershorts runter, kniete mich vor den Eimer und pißte rein. Das Heraufziehen der Hose gestaltete sich noch schwieriger, aber ich schaffte es halbwegs. Dann schrie ich nach Hilfe. Ohne
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