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Matrjoschka-Jagd

Matrjoschka-Jagd

Titel: Matrjoschka-Jagd
Autoren: Marijke Schnyder
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aus, völlig entspannt. Die nassen Löckchen kringelten sich um ihre Ohren. Wie eine Frau, die sich nach einem Bad ein Schläfchen gönnt. Darf ich Ihnen eine Tasse Kaffee bestellen? Das können Sie bestimmt brauchen nach der langen Fahrt …?«
    Da ertönte eine laute Stimme aus dem Gang und gleich darauf drängte sich ein mittelgroßer, sehr korpulenter Mann ins Büro.
    »Das ist Doktor Fischer, unser Kurarzt«, erklärte der Direktor.
    Nore Brand ergriff seine ausgestreckte Hand. Es gab Männer, die aussahen, so wie man in gewissen Comics den Metzger darstellte. Dieser da sah genauso aus.
    Der Direktor erklärte ihm den Grund ihrer Anwesenheit.
    Doktor Fischer zog einen Stuhl herbei. Sein Gesicht wurde nachdenklich. »Die gute Klara Ehrsam«, begann er, »der Fall war doch ganz klar. Ich verstehe nicht …« Er brach ab und heftete die Augen auf ihr Gesicht.
    »Darf ich Sie fragen …«
    »Die Polizei hat einen Hinweis erhalten.«
    »Einen Hinweis?« Er schaute sie staunend an.
    Kommissarin Brand nickte.
    »Von wem denn?«
    »Anonym.«
    Doktor Fischer legte sich seine Hände auf den gewölbten Bauch. »Jemand vom Haus?«
    Sie hob die Schultern.
    »Ist doch klar«, antwortete er sich selbst. »Reagieren Sie bei allen anonymen Hinweisen?«
    Er starrte sie durchdringend an. Er hatte Fischaugen und schien nicht sehr überrascht von ihrem Besuch. Nach der übertriebenen Freundlichkeit des Direktors war die Feindseligkeit von Doktor Fischer eine kalte Dusche. Unangenehm, aber erfrischend.
    »Wir verrichten unsere Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen. Dazu gehört, dass wir hin und wieder einen anonymen Anruf überprüfen.«
    »Haben Sie einen Grund, diesen ernst zu nehmen?«
    »Das versuche ich mit Ihrer Hilfe herauszufinden.«
    Im Augenwinkel sah sie, wie sich der Direktor nach vorne beugte.
    »Gibt es im Fall von Klara Ehrsam Verdachtsmomente?«
    Verdachtsmomente? Nore Brand schloss auf einen ungesund hohen Konsum von Fernsehkrimis. Das schlägt auf die Sprachzentren im Gehirn. Eine unheilvolle Sache auf die Dauer.
    Sie klappte ihr Büchlein zu. »Es gibt ein paar kleine Dinge, die ich anschauen muss. Das ist mein Berufsalltag. Routine.«
    »Wir dürfen nicht vergessen, dass sie weit über 80 war«, dröhnte die Stimme des Doktors an ihr Ohr. »Sie war rüstig, aber auch dann kann der Tod völlig überraschend eintreten.«
    »Hatte sie gesundheitliche Probleme?«
    »Nein, aber in dem Alter kann es schnell gehen. Was hatte sie noch zu erwarten? Sie lebte seit Jahren ganz allein in dieser Villa mit einer Haushälterin und einem großen Hund. Sie erzählte viel von diesem alten Bernhardiner.« Er schaute zum Fenster, das auf den Hotelpark zeigte, und streckte die Hand aus. »Sehen Sie diese Natur, diese Bergwelt. Wenn man mich zwingen würde, nach Basel umzuziehen, in die von Chemie verpestete Luft, ich würde mich hier niedersetzen und auf mein Ende warten. Als letzter Anblick diese Berge.«
    »Da bin ich anderer Meinung. Lieber zuletzt ein bisschen schlechte Stadtluft einatmen als jämmerlich im Schlamm zu ersticken«, erwiderte sie.
    Der Doktor schwieg und starrte sie böse an. Sie hatte seine pathetischen Worte lächerlich gemacht.
    »Warum ist nicht Bucher gekommen?«, erkundigte er sich dann.
    »Zu viel Arbeit, sagt er.«
    »Der? Überlastet?«, höhnte Doktor Fischer. »Sie machen Witze. Dieser Schlufi 1 . So was lebt von unseren Steuergeldern. Man darf gar nicht darüber nachdenken. Aber jetzt muss ich wieder dringend an die Arbeit. Und Sie?«
    Das war an Unverschämtheit nicht zu übertreffen und die offene Rechnung zwischen ihnen war beglichen.
    »Das hier ist meine Arbeit.«
    »Aha, andere bei der Arbeit stören ist also Ihre Arbeit, nicht schlecht das, aber ich muss gehen. Meine Patienten warten.« Er wuchtete sich aus dem Sessel.
    »Ich brauche die Todesbescheinigung für den Bericht«, sagte sie rasch.
    Er schaute sich kurz um. »Wir sind von einem natürlichen Tod ausgegangen und wir hatten nie den geringsten Grund, das anzuzweifeln. Die Frau ist ertrunken. Immerhin habe ich ein paar Jährchen Berufspraxis hinter mir.« Er nickte dem Direktor zu, dann entfernte er sich.
    »Doktor Fischer weiß, was er sagt. Sie können alle seine Kollegen fragen, auch diejenigen vom Gerichtsmedizinischen Institut«, erklärte der Direktor.
    Nore Brand erhob sich.
    »Ich begleite Sie hinaus«, sagte der Direktor.
    Wie konnte ein so höflicher Mensch den Kaffee, den er versprochen hatte, vergessen?
    Menschen wie er mussten
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