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Maskerade

Maskerade

Titel: Maskerade
Autoren: Noah Berg
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wiederholt er nun in leisem Tonfall immer wieder, während er weiter jeden Winkel des Parkplatzes abläuft.
    Er weiß, dass er nicht zur Polizei gehen kann. Und Anke kann er es ebenso wenig erzählen. Niemand wird ihm glauben, dass es ein Unfall war, wenn man erst dahinter gekommen ist, dass er von Tom erpresst wurde. Wie sollte er erklären, dass er sich mit voller Wucht und eindeutiger Absicht vor die Tür geworfen hat, hinter der Tom stand? Wie glaubwürdig würde es klingen, wenn er erzählt, er habe Tom besucht und während seines Besuches sei Tom einfach so, ganz unglücklich, in der Diele ausgerutscht und habe sich am Mahagonitisch das Genick gebrochen.
    Nein. Er wird es niemandem erzählen.
    Im Laufe der Zeit wird sich das Geschehene in die Liste der Dinge einfügen, die er niemandem je erzählen wird. Diese Liste ist schon heute so lang, dass er glaubt, jemand anderes würde daran zerbrechen. Aber Sascha hat über die Jahrzehnte soviel Übung im Lügen, im Verschweigen und im Umgang mit Halbwahrheiten gesammelt, dass es sich für ihn wie eine zweite Haut anfühlt. Er ist heute überzeugt davon, sein Leben und damit auch er selbst, würde eher an Wahrheiten zerbrechen als an einer weiteren Lüge.
    Und wenn er tief genug in sich hinein horcht, findet er neben dem Schock, den Toms Tod ausgelöst hat, noch etwas anderes. Irgendwo sitzt etwas in ihm. Etwas Hässliches, das es aber gut mit ihm meint. Das ihm zulächelt und ihm sagt, dass Toms Tod für ihn auch ein Gewinn ist.
                                                                         
     
    *
     
     
    Wenige Tage später klopft es leise an der Tür zu Saschas Büro. Er blickt auf und ohne auf seine Aufforderung zu warten, steckt Isabel den Kopf durch den Türspalt. Sie wirkt irritiert. Sascha kann die Fragezeichen über ihrem Kopf praktisch mit Händen greifen. Mit großen Augen sagt sie: „Die Polizei ist hier, Chef. Zwei Herren, die mit Ihnen reden möchten.“
    Seit Toms Tod wartet Sascha praktisch nur auf diesen Augenblick und er hat ihn in den letzten Tagen wohl an die Hunderte Male im Geiste durchgespielt.
    „Ach so?“, fragt er in überraschtem Ton. Er sieht Isabel mit einem Ausdruck auf seinem Gesicht an, der besagt, er habe keine Ahnung, was die Polizei von ihm will.
    „Es wird doch wohl Anke oder Pia nichts geschehen sein?“, überlegt er laut und steht dabei auf. Er geht um seinen Schreibtisch herum und fordert Isabel auf, die Herren herein zu bitten.
    Isabel verschwindet aus seinem Blickfeld, er hört sie im Vorzimmer reden, kann aber nicht verstehen, was sie sagt und kurz darauf betreten zwei Männer, die unterschiedlicher kaum sein könnten, sein Büro.
    „Guten Tag, Herr Adomat“, begrüßt ihn der Polizist, der als erster angetreten ist.
    „Entschuldigen Sie bitte die Störung und vielen Dank, dass Sie sich Zeit für uns nehmen“, kommt es in professionellem, distanziertem Tonfall über seine Lippen.
    „Ich bin Kriminalhauptkommissar Wenzel. Das ist mein Kollege Kriminalkommissar Jensen“, deutet er auf den Mann, der sich neben ihm postiert hat.
    Wenzel ist ein hochaufgeschossener, schlanker Mann mittleren Alters. Seine ergrauten Haare stehen ihm gut zu Gesicht, findet Sascha. Er hat strahlend blaue Augen, die Milde ausstrahlen, eine etwas zu große, aber wohlgeformte Nase und Sascha findet ihn durchaus attraktiv.
    Sein Kollege ist deutlich kleiner und wirkt auf Sascha irgendwie feist. Sein Kopf scheint direkt auf seinem Rumpf zu sitzen, so, als habe er gar keinen Hals. Schweißperlen stehen ihm auf der Stirn und mit seinen wässrigen Augen blickt er Sascha durchdringend an.
    „Guten Tag, die Herren. Bitte setzen Sie sich doch“, erwidert Sascha freundlich und zeigt einladend auf die Sitzgruppe in der Ecke seines Büros.
    Nachdem sie sich gesetzt haben, geht Sascha in die Offensive.
    „Also, was kann ich für Sie tun? Bitte sagen Sie mir, dass Sie nicht hier sind, um mir mitzuteilen, dass meiner Frau oder meiner Tochter etwas zugestoßen ist.“
    Die beiden tauschen einen kurzen Blick aus, den Sascha nicht zu deuten vermag. Dann antwortet Wenzel kopfschüttelnd: „Nein, da können wir Sie beruhigen, Herr Adomat. Das ist nicht der Grund unseres Besuchs.“
    „Das wollte ich hören!“, erwidert Sascha und atmet dabei hörbar aus. „Also, warum sind Sie hier?“
    „Wir sind hier wegen Tom Lorenzen.“
    Das ist Saschas Stichwort und er beginnt innerlich, das
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