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Maskerade

Maskerade

Titel: Maskerade
Autoren: Noah Berg
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darüber wunderte, dass Sascha Tom nicht mehr traf, gab er vor, Anke habe recht gehabt. Der Altersunterschied zwischen ihm und Tom sei doch zu groß und ihre Leben seien wohl doch zu unterschiedlich gewesen, als dass es zu einer längerfristigen Freundschaft zwischen ihnen hätte kommen können. Er bedauerte es und sie bedauerte es auch. Danach war Tom nie wieder ein Thema zwischen ihnen.
     
    Es gab Stimmen in Sascha die ihn mahnten, zur Polizei zu gehen und ihnen alles zu erzählen. Über
    Toms Erpressungsversuch, über seinen letzten Besuch bei ihm, darüber wie Tom genau gestorben war. Mit der Zeit wurden diese Stimmen jedoch immer leiser, bis Sascha sie irgendwann gar nicht mehr vernahm. Vom ersten Moment an gab es aber auch die anderen Stimmen in ihm. Die lauteren, die es viel besser verstanden, sich in sein Bewusstsein vorzudrängen. Die, die ihm rieten, den Mund zu halten. Tom als das zu sehen, was er war. Ein Student, der sich prostituierte, der, wenn sich die Gelegenheit bot, versuchte, Kapital aus der Not seiner Kunden herauszuschlagen. Ein gewissenloser Mistkerl, der zu weit gegangen war, der in Saschas Welt eingedrungen war, um seinen kriminellen Zielen Nachdruck zu verschaffen. Von Wenzel wusste er schließlich, dass Tom mit seinen widerlichen, kleinen Erpressungsversuchen tatsächlich Erfolg gehabt hatte. Es gab also auch andere Männer, die ihm in die Falle gegangen waren. Die sich in seinem fein gesponnenen Netz verfangen hatten. Sascha ist sich sicher, dass Tom jedes Mal, wenn sich unter seinen Kunden eine weitere, vielversprechende Einnahmequelle auftat, dieselbe Strategie verfolgte. Er verschaffte ihnen mit seinem Aussehen, seinem makellosen Körper und seinen gekonnten Techniken nicht nur unglaubliche sexuelle Höhepunkte mit einem Mann, das, wonach sie gierten. Er bot sich auf leisem und indirektem Wege auch als Gesprächspartner und sogar vermeintlicher Freund an. Er erschlich sich das Vertrauen dieser vereinsamten und hin und hergerissenen Seelen, die ein Leben führten, das im völligen Gegensatz zu ihrer Natur stand und die in Tom vielleicht so etwas wie einen Notanker fanden. So wie es bei ihm selbst gewesen war. Wenn er heute daran denkt, wie viel er in Tom hinein interpretiert und welche Bedeutung dieser in seinem Leben eingenommen hatte, ist es, als würde sich eine tonnenschwere Last auf seine Brust legen und ihm die Luft zum Atmen nehmen. Er weiß, dass ihm so etwas nie wieder passieren darf.
     
     
    *
     
     
    Es ist Herbst geworden. Die gnadenlose Hitze des Sommers, die die Stadt über Wochen in einen Brutkasten verwandelte, ist weitergezogen. Die Luft ist angenehm kühl und verbreitet den Geruch von feuchtem Laub. Die Bäume im Garten hinter dem Haus tragen bereits ihr buntes Kleid und aus der Küche riecht es nach Kürbissen, die Anke mühselig für Halloween herrichtet, während Pia das Treiben ihrer Mutter mit großen Augen verfolgt.
    Sascha sitzt bei weit geöffnetem Fenster in seinem Arbeitszimmer, das Notebook vor sich auf dem Schreibtisch stehend. Nervös und erregt starrt er auf den Bildschirm, als er Anke rufen hört:
    „Schatz, kannst du kurz kommen? Ich brauche deinen Rat!“
    Er verzieht kurz das Gesicht.
    „Gib mir zwei Minuten!“, ruft er zurück.
    Eilig greift er zu seinem Mobiltelefon, gibt den Namen und die Telefonnummer, die auf dem Bildschirm angezeigt werden, unter der Rubrik „Kontakte“ ein und drückt auf „Speichern“. Dann überfliegt er noch einmal Adrians Profil auf der Homepage des Anbieters:
     
    27 Jahre alt, 185 cm groß, 80 kg, sportliche Figur, blonde Haare und blaue Augen, bietet seriöse, niveauvolle und diskrete Abendbegleitung  für den Herrn mit Anspruch. Bei Wunsch auch mehr.
     
    Er nickt, wie um sich das Ganze selber noch einmal zu bestätigen, klappt schnell den Deckel des Notebooks zu und macht sich eilig auf den Weg zur Küche, wo Anke und Pia auf ihn warten.
     
     
    *
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