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Mary, Tansey und die Reise durch die Nacht

Mary, Tansey und die Reise durch die Nacht

Titel: Mary, Tansey und die Reise durch die Nacht
Autoren: R Doyle
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wurde Emer drei. Das war ein Dienstag. Morgen, während des Einkaufs, würde Tansey die Zutaten für den Napfkuchen besorgen. Und Emer konnte ihr schon beim Zubereiten helfen. Das würde wundervoll werden, das erste Mal, dass sie gemeinsam buken.
    An einem Tag wie heute war alles wundervoll.
    Jetzt würde sie das Mittagessen kochen. Jims Mutter war sicherlich schon dabei; die Kartoffeln waren bestimmt schon aufgesetzt. Acht Mäuler galt es zu stopfen. Nach dem Essen, sobald sie die Küche geputzt hatten, würde sie sich dem Buttern widmen. Die Butter würde sie dann morgen zur Molkerei bringen, und in ein paar Tagen würde irgendwer in Enniscorthy oder sogar in Dublin seinen Toast oder seine Kartoffeln damit bestreichen. Buttern war harte Arbeit, aber an deren Ende stand das Ergebnis, diese tiefe Befriedigung. Die Butter. Nichts ließ sich damit vergleichen. In jeden der Buttermodel hatte Jim ein großes T geschnitzt, weshalb ihre Signatur – T für Tansey – jedes Pfund Butter schmückte, das sie herstellte. Das war eine großartige Sache. Sie fühlte sich wie ein Schriftsteller mit seinem Namen auf einem Buchumschlag. Jim hatte ihr die Model zu Weihnachten geschenkt. Rot angelaufen war er dabei, hatte gegrinst wie ein großes, gut aussehendes Kind.
    Sie liebte diesen Mann, ihren Ehemann. Und Jim liebte sie. Das sah sie jedes Mal, wenn er sie anschaute. Jedes Mal, wenn sie ihn dabei erwischte. Ihr Ehemann. Daran hatte sie sich immer noch nicht richtig gewöhnt – auch wenn sie im April bereits seit vier Jahren verheiratet waren und schon zwei Kinder hatten, Emer und Baby James. Der 11. April 1924. Das war der Tag, an dem sie aufgehört hatte, Tansey Wallace zu sein und zu Anastasia Mary Stafford geworden war. Anastasia nur anlässlich dieses großen Tages, und Tansey danach.
    Bevor sie ins Haus ging, musste sie noch die Windhunde füttern. Sie öffnete die Tür zum Zwinger. Emer war mit ihrem Ei vorausgelaufen. Sie mochte die Hunde nicht.
    »Zu knochig«, fand sie.
    Da war etwas dran. Es waren hagere Kreaturen, diese Hunde, zum Streicheln zu knochig. Emer liebte Parnell, den alten Hütehund. Er döste den ganzen Tag vor dem Feuer, längst zu taub, um das Blöken der Schafe noch zu hören, und es war ihm egal, wohin sie sich verliefen. Tansey hingegen mochte die Windhunde. Ihre spitzen Schnauzen rieben gegen ihre Hände. Sie wussten, dass sie zum Füttern gekommen war, also hefteten sich alle sieben an ihre Fersen.
    »Ja, das ist schön, wenn man gemocht wird«, sagte sie.
    Morgen würde es kein Futter für die Hunde geben, denn Jim wollte sie in Enniscorthy laufen lassen, und sie sollten hungrig sein, wenn sie die Hasen jagten. Hier drinnen war der Boden weich. Sie drehte sich nochmals prüfend um, aber alles war in bester Ordnung: Sie hatte nicht vergessen, nach dem Eintreten die Tür zum Zwinger zu verriegeln. Der Sonnenschein fiel früh in diese Ecke; der Schlamm war hier nicht verkrustet. Sie würde ihre Stiefel waschen müssen. Aber auch das war in Ordnung. An einem Tag wie heute würde es nicht schmerzen, wenn sie sich nach unten beugte. Noch so viel Arbeit konnte nichts daran ändern, wie jung sie sich fühlte. Tansey war 25, und an einem Tag wie heute konnte man erst hinzufügen: Tansey war erst 25.
    Die Hunde waren versorgt und glücklich. Tansey legte den Riegel vor die Zwingertür und ging zum Haus. Inzwischen war sie selber hungrig. Im September würde das Dach mit neuem Reet gedeckt werden. Die Entscheidung war gefallen und für die notwendigen Arbeiten war genügend Geld da. Das alte Reet hatte schon vor den Hungerjahren das Dach bedeckt, zu einer Zeit, als Jims Mutter noch ein kleines Mädchen gewesen war. In dem Reet da oben nisteten Mäuse, die noch nie das Tageslicht gesehen hatten. Eine davon war ihr eines Abends in den Schoß geplumpst, als sie beim Feuer saß, wo sie das Loch in einer Socke ausfindig zu machen versuchte, die sie stopfen wollte. Ein winziges Kerlchen; aber trotzdem jagte es ihr einen gehörigen Schrecken ein. Der Schrei war ihr schon entfahren, bevor sie ihn zurückhalten konnte. Er hatte Emer aus dem Schlaf gerissen und sogar das Baby zusammenzucken lassen, dabei war das nicht einmal geboren und schlummerte in ihr drin vor sich hin. Sie war sich wie eine Idiotin vorgekommen, besonders als sie die Winzigkeit des Wesens sah, das da über ihr aus seiner Behausung gefallen war. Aber Tansey war in schiefergedeckten Häusern aufgewachsen. Ihr Vater war Polizist gewesen, sie hatten
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