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Mary, Tansey und die Reise durch die Nacht

Mary, Tansey und die Reise durch die Nacht

Titel: Mary, Tansey und die Reise durch die Nacht
Autoren: R Doyle
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lachte.
    »Woher weißt du das?«
    »Schmeiß sie einfach an die Wand!«, sagte Scarlett. »Wenn sie pappen bleiben, sind sie fertig! Pappen sie nicht, dann bist du entweder zu früh oder zu spät dran!«
    Die Bolognesesoße kam aus dem Glas.
    »Müssten wir die nicht irgendwie selber machen?«, sagte Mary.
    »Eigentlich schon!«, sagte Scarlett. »Wenn man es genau nimmt! Aber die Soße aus einem Glas rauszukriegen, ist ja auch schon nicht ohne! Das ist eine Kunst, die man erlernen muss! Oh, nicht schlecht, Mary!«
    Mary hatte soeben die Soße in den Topf gekippt, ohne etwas davon zu verschütten.
    »Nichts leichter als das«, sagte sie.
    Sie begann die Soße umzurühren. Die Spaghetti fühlten sich schwer an, als wollten sie ihr Widerstand leisten.
    »Widerspenstige Dinger«, sagte sie.
    Scarlett lachte.
    »Noch mehr Großmutter-Sprüche!«, sagte sie.
    »Woher hat sie eigentlich gewusst, dass ich Spaghetti kochen will?«, überlegte Mary laut.
    »Wer?!«, sagte Scarlett. »Oma?!«
    »Nein«, sagte Mary. »Diese Frau. Tansey.«
    Sie kämpfte immer noch mit den Spaghetti, weil sie wollte, dass jede einzelne mit Soße bedeckt war. Deshalb fiel ihr nicht auf, wie still es plötzlich in der Küche war. Sie hörte mit dem Umrühren auf – langsam begann ihr Handgelenk zu schmerzen –, und dann bemerkte sie es.
    »Stimmt was nicht?«
    Ihre Mutter sah blass aus. Der Mund stand ihr ein Stück offen.
    »Tansey?«
    »Genau«, sagte Mary. »Warum?«
    »Wer ist sie?«
    »Die neue Frau«, sagte Mary. »Ich hab dir gestern von ihr erzählt, oder so. Glaub ich jedenfalls.«
    »Ja«, sagte Scarlett. »Hast du. Und heute hast du sie wieder getroffen, ja?«
    »Klar«, sagte Mary. »Sie ist nett. Sie ist witzig.«
    »Entschuldigung«, sagte Scarlett. »Es lag an ihrem Namen.«
    »Was ist denn damit?«
    »Den hört man heutzutage nicht mehr.«
    Mary beobachtete ihre Mutter. Sie wartete darauf, dass sie weitersprach.
    »Deine Urgroßmutter«, sagte Scarlett. »Omas Mutter. Sie hieß Tansey.«

Fast alles, was für diesen Morgen an Arbeit auf dem Hof angefallen war, hatte Tansey erledigt. In Wirklichkeit jedoch, das wusste sie, hatte ein solcher Begriff – »für diesen Morgen« – keine wirkliche Bedeutung. Sobald Jim und die anderen Männer von den Feldern kamen, musste das Essen zubereitet sein, und dann waren da die Arbeiten, die sich über den Nachmittag und den Abend bis in die Nacht hinein erstreckten, bis an den Rand ihres Bettes. Es war ein einziger langer Tag voller Arbeit.
    Aber es gefiel ihr. An einem Tag wie heute gefiel Tansey alles, was sie zu tun hatte. Der Frühling war da, der Schlamm unter ihren Füßen war noch hart. Sie lief gern darüber hinweg. Sie konnte die Furchen im Boden durch die Sohlen spüren. Eben hatte sie die Eier unter den Hühnern weggeholt. Einen ganzen Korb hatte sie mit den guten Stücken gefüllt, den würde sie morgen früh nach Enniscorthy mitnehmen, wenn Jim die Milch bei der Molkerei ablieferte. Sie würde mit ihm fahren, oben auf dem Fuhrwerk hinter dem Esel. Das war etwas, worauf man sich freuen konnte, aufs Einkaufen, auf einen kleinen Plausch hier und dort. Sie würde sich eine Tüte Bonbons gönnen. Solange sie unterwegs war, würde Jims Mutter auf Emer und den Kleinen aufpassen, Baby James.
    Jetzt lief Emer vor ihr her, eines der Eier zwischen beiden Händen. Sie hatte die Grippe gehabt. Mehr als zwei Wochen lang hatte sie oben in ihrem Zimmer das Bett gehütet, und ein paar Tage und Nächte lang hatten sie alle Angst um sie gehabt, so viel Hitze hatte ihr Körper abgestrahlt. Aber jetzt ging es ihr wieder gut; sie war völlig auskuriert, es bestand kein Anlass mehr zur Sorge. Sie schoss auf das Haus zu, weil sie es kaum abwarten konnte, das Ei ihrer Oma zu zeigen.
    »Hei!«
    Schon jetzt rief sie laut, um ihre Ankunft anzukündigen. Tansey konnte Emers Atem sehen, er segelte wie eine kleine Wolke vor ihr her. Der morgendliche Atem kam als Dampf aus ihr heraus, aber es war nicht kalt. Es war einer dieser Tage, die sich wie eine Verheißung anfühlten. Der Himmel war ganz besonders blau; die Lämmer unten auf dem fernen Feld klangen, als befänden sie sich unmittelbar an ihrer Seite. Der Winter war vorüber. Wenn sie heute Abend die Kühe zum Melken hereintrieben, würde es draußen immer noch hell sein. Emer trug ihren Mantel, aber nicht mehr lange, und er würde auf seinen Bügel gehängt, um erst am anderen Ende des Jahres wieder davon heruntergenommen zu werden.
    Nächste Woche
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