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Marter: Thriller (German Edition)

Marter: Thriller (German Edition)

Titel: Marter: Thriller (German Edition)
Autoren: Jonathan Holt
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sich auf den Weg zum Parkplatz, der zu ihrer Freude mit einer dünnen Schneeschicht bedeckt war. Ein weißer Minibus stand mit laufendem Motor bereit. Auch er war in winzigen Buchstaben mit dem Akronym » SETAF « beschriftet. Das US -Militär gab sich augenscheinlich alle Mühe, möglichst nicht aufzufallen: Selbst ausgeschrieben klang »Southern European Task Force« noch vergleichsweise harmlos.
    Der Fahrer, ein Private, sprang aus dem Wagen, um ihr mit dem Gepäck zu helfen. Nachdem er das Gesicht seiner Mitfahrerin – das für eine Blondine ein klein wenig zu schlau wirkte, aber nicht ohne Charme war – gemustert sowie ihr noch neues Abzeichen registriert hatte, beschloss er, ein Gespräch zu riskieren.
    »Willkommen in Venedig, Ma’am. TDY oder PCS ?« Was bedeutete: Temporary Deployment, also eine zeitlich begrenzte Versetzung, oder Permanent Change of Station, ein dauerhafter Aufenthalt.
    » PCS «, erwiderte sie mit einem dienstbeflissenen Lächeln. »Die ganzen vier Jahre.«
    »Sehr gut. Ist bestimmt Ihr erster Auslandsaufenthalt, wie? Oder waren Sie schon mal im OCONUS -Einsatz?«
    OCONUS – dieser Militärbegriff bedeutete ausgeschrieben »Outside the Contiguous United States«, also außerhalb Kontinentalamerikas. Für viele Soldaten, das wusste sie, unterschied sich der OCONUS -Einsatz nicht erheblich von einer Entsendung nach Utah oder Texas. Und das war wohl nicht weiter überraschend, da man im Grunde überall die gleichen Erfahrungen machte.
    »Mein erster Einsatz im Ausland«, bestätigte sie. »Aber eigentlich bin ich hier aufgewachsen.«
    Der Private zog eine Augenbraue hoch. »Vater bei der Armee?«
    »Positiv. Mein Dad war in der 173., Camp Darby, unten in Pisa.«
    »Sprechen Sie Italienisch?«
    Sie nickte. » In realtà, lo parlo piuttosto bene.«
    »Bestens«, meinte er, obwohl er ganz offensichtlich kein Wort verstanden hatte. »Hören Sie, eigentlich dürfte ich das ja nicht vorschlagen, aber da Sie mein einziger Fahrgast sind, könnten wir einen kleinen Umweg machen, und ich zeig Ihnen ein bisschen was von der Gegend. Wenn man über die Küstenstraße fährt, hat man eine wunderbare Aussicht auf Venedig. Und wir würden sogar trotzdem noch rechtzeitig ankommen. Bis Ederle braucht man nur ungefähr fünfzig Minuten.«
    Ihr war klar, dass er lediglich nach einem Vorwand suchte, um mit ihr zu flirten. Und im Grunde wusste sie auch, dass sie als Officer eigentlich Nein sagen müsste, auch wenn sie noch so neu und niedrig im Rang war. Doch ein Teil von ihr war einfach nur irrsinnig glücklich, endlich wieder in dem Land zu sein, in dem sie ihre Kindheit verbracht hatte. Es war ihr schwergefallen, am Flughafen an dem kleinen Café vorbeizumarschieren, ohne kurz hineinzugehen – ein echtes Café! Endlich! Mit einem verzinkten Tresen, an den man sich lehnen konnte, während man sich einen Espresso genehmigte. Viel besser als diese pseudo-studentische Atmosphäre bei Starbucks, wo die angeblichen Cappuccinos viel zu groß waren! Und schon beim Landeanflug hatte sie die Stirn gegen die Fensterscheibe gepresst, da sie es kaum hatte erwarten können, nach so langer Zeit einen Blick auf Italien zu werfen. Die Sicht war nicht berauschend gewesen – zunächst hatte sie den herrlichen Anblick der Sonne im Dämmerlicht genossen, ehe das Flugzeug sich durch Wolken und Turbulenzen gekämpft hatte, während die Fenster zusehends vereist waren, bis sie schließlich über einer grau und eisig wirkenden Lagune daraus hervorgetaucht waren. Einen kurzen Augenblick lang hatte sie das seltsame Gefühl ereilt, sich in einem U-Boot zu befinden, das auf den düsteren Meeresboden zusank. Doch das Flugzeug drehte sich immer weiter, und für einen flüchtigen Moment war Venedig, diese magische, einzigartige Insel, verlockend gut zu sehen gewesen. Gebäude und Kanäle drängten sich auf einem lächerlich kleinen Gebiet dicht aneinander, ein Geflecht so filigran und komplex wie ein Stück Koralle oder das Innere einer Uhr.
    »Okay«, sagte sie unvermittelt. »Warum nicht?«
    Der Private grinste. Er war überzeugt, dass es an ihm lag und nicht an der versprochenen Aussicht auf Venedig, was sie zu dieser Entscheidung bewegt hatte. »Hervorragend. Wie lautet Ihr Name, Ma’am?«
    »Boland. Second Lieutenant Holly Boland.« Und dann, weil dieser Ort danach zu verlangen schien, fügte sie noch hinzu: » Mi chiamo Holly Boland.«
    Auch wenn er mit ihr die Küstenstraße entlangfuhr, die in der Tat bemerkenswerte Ausblicke
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