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Marter: Thriller (German Edition)

Marter: Thriller (German Edition)

Titel: Marter: Thriller (German Edition)
Autoren: Jonathan Holt
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an ein vor Kälte schlotterndes Mädchen aus Osteuropa sowie ihren Zuhälter. Trotzdem hielt er sich nie länger dort auf als unbedingt nötig.
    Unwillkürlich bekreuzigte Ricci sich, er war sich dieser Geste ebenso wenig bewusst wie der Tatsache, dass er den Kurs immer wieder leicht korrigierte, als er zwischen den Sandbänken und Untiefen hindurchnavigierte, die in diesem Teil der Lagune nicht selten waren. Dann folgte ein längerer Abschnitt, wo er über offenes Gewässer steuerte, sodass er zügig vorankam. Eisige Gischt traf hart auf ihre Gesichter, während sie Welle um Welle erklommen. Der Mann am Bug des Bootes aber schien dies nur am Rande zu registrieren.
    Schließlich drosselte Ricci die Geschwindigkeit. Die Insel lag jetzt unmittelbar vor ihnen und zeichnete sich scharf gegen den violettschwarzen Himmel ab, der Glockenturm des verlassenen Klinikgebäudes stach zwischen den Bäumen hervor. Ein paar schwache Lichtpunkte flackerten inmitten der Ruinen auf – Kerzen möglicherweise, die in einem der Zimmer brannten. Es ging also um ein heimliches Rendezvous. Denn auf Poveglia lebte niemand, zumindest nicht mehr.
    Riccis Passagier ging in die Knie und öffnete den Metallkoffer. Der Fischer erhaschte flüchtig einen Blick auf ein Gewehr und eine Reihe von Patronen, die fein säuberlich in kleinen Fächern ruhten. Doch es war ein Nachtsichtgerät, so groß wie ein fettes Kameraobjektiv, das der Mann als Erstes aus dem Koffer zog. Er hob es ans Auge und stand auf, wobei er sich festhalten musste, weil das Boot stark schaukelte.
    Eine Weile blickte er in Richtung der Lichter. Dann bedeutete er Ricci, auf den Bootsanleger zuzusteuern, wo er ungeduldig, aber lautlos ans Ufer sprang, noch ehe sie ihn ganz erreicht hatten. Den Metallkoffer hielt er nach wie vor in der Hand.
    Später sollte Ricci sich fragen, ob er denn Schüsse gehört hatte. Doch dann fiel ihm dieses andere längliche Ding wieder ein, das er in dem Koffer gesehen hatte – einen Schalldämpfer, noch länger und größer als das Nachtsichtgerät. Er hatte es sich also nur eingebildet.
    Sein Passagier war gerade mal fünfzehn Minuten weg gewesen, da tuckerten sie auch schon wieder schweigend zurück zur Giudecca.

1
    Die Feier in dem schwach beleuchteten bàcaro war schon seit fast fünf Stunden im Gange, dennoch schwoll der Lautstärkepegel kontinuierlich an. Der gut aussehende junge Mann, der mit Katerina Tapo flirtete, tat dies nicht in gewöhnlicher Lautstärke, er schrie vielmehr: Die beiden standen ganz dicht beieinander und brüllten sich gegenseitig ins Ohr, da sie sonst kein Wort verstanden hätten. So hatte der Flirt zwar einerseits nichts Subtiles mehr, andererseits aber konnte sie sich seiner Absichten auch ganz sicher sein. Und das war nicht das Schlechteste, befand Kat. Unter solch erschwerten Bedingungen nämlich gab man nur dann nicht gleich wieder auf, wenn man die Flirtpartnerin wirklich gut fand. Sie selbst war bereits zu dem Schluss gelangt, dass Eduardo – oder war es Gesualdo? – später mit in ihre kleine Zweizimmerwohnung in Mestre kommen würde.
    Eduardo, oder möglicherweise auch Gesualdo, erkundigte sich soeben lautstark, womit sie sich denn ihren Lebensunterhalt verdiente. »Ich bin Reisebürokauffrau«, brüllte sie zurück.
    Er nickte. »Cool. Bist du selbst viel auf Reisen?«
    »Hin und wieder«, rief sie.
    Sie spürte, wie ihr Handy in der Tasche an ihrem Oberschenkel vibrierte. Sie hatte zwar den Klingelton aktiviert, doch bei diesem Lärm nichts gehört. Als sie das Handy nun hervorholte, stellte sie erschrocken fest, dass sie bereits drei Anrufe verpasst hatte. » Un momento« , schrie sie ins Telefon. Sie bedeutete ihrem Begleiter, dass sie in einer Minute zurück sein würde, und kämpfte sich durch das Gedränge ins Freie.
    Herr im Himmel, war das kalt. Um sie herum trotzten ein paar hartgesottene Raucher der eisigen Kälte: Aus ihrem eigenen Mund stieg sichtbar der Atem hoch, beinahe so dicht wie der Zigarettenqualm. Sie sprach wieder ins Telefon. » Sì? Pronto?«
    »Wir haben eine Leiche«, hörte sie Francescos Stimme sagen. »Du bist auf den Fall angesetzt. Ich habe soeben mit dem Hauptquartier telefoniert.«
    »Mord?« Sie hatte größte Mühe, gefasst zu klingen.
    »Möglich. Doch wie auch immer, das wird ein Riesending.«
    »Wie kommst du denn darauf?«
    Francesco ließ sich mit der Antwort Zeit. »Ich schicke dir gleich eine SMS mit der Adresse. Ist in der Nähe der Salute-Kirche. Colonnello Piola
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