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Marter: Thriller (German Edition)

Marter: Thriller (German Edition)

Titel: Marter: Thriller (German Edition)
Autoren: Jonathan Holt
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auf die Lagunenstadt bot – welche »vielfach zu einem der romantischsten Flecken der Erde erklärt« worden war, so versicherte er ihr –, redete Private Billy Lewtas von nichts anderem als ihrem eigentlichen Ziel. Die Caserma Ederle oder Camp Ederle, wie er es nannte, verfügte über alles, was ein Soldat sich wünschen konnte, direkt vor Ort. Das PX war kein gewöhnlicher Laden, sondern ein ganzes Einkaufszentrum, mit einem rund um die Uhr geöffneten Supermarkt, diversen Bekleidungsketten wie American Apparel und Gap und einem Blumenladen für Leute wie ihn, die einem Mädchen nach einem Date gern ein nettes Geschenk machten. Es gab eine Autowerkstatt mit zwölf Montagegruben, die sich auf Modelle der Marken Chrysler, Ford und andere spezialisiert hatte, da diese den italienischen Mechanikern fremd waren. Es gab ein Krankenhaus mit achthundert Betten sowie vier Bars – darunter das Crazy Bull, das Lion’s Den und das »überragende« Joe Dugan’s. Es gab eine Bowlingbahn, ein Kino, einen Sportplatz, eine Highschool, drei amerikanische Banken, fünf Restaurants, in denen man von Fritten bis Pulled Pork alles bekam, einen Burger King, und sogar ein italienischer Souvenirladen war vor Ort, damit man sich ein Andenken an die Zeit in Übersee kaufen konnte, ohne das Gelände verlassen zu müssen. Doch das Beste war, so berichtete der Private begeistert, dass die Alpen so unglaublich nah waren – man konnte sie sogar in diesem Moment erkennen, wenn man genau hinsah, mit den schneebedeckten Gipfeln –, denn man besaß einen eigenen Kader an Skilehrern, die den Soldaten exklusiv zur Verfügung standen.
    Holly hatte so eine Ahnung, dass es sich ganz speziell um die Dolomiten handelte und nicht einfach nur um »die Alpen«, die sich dort in der Ferne abzeichneten. Doch sie verkniff es sich, ihn zu belehren. Sie durfte das Camp zunächst sechs Wochen lang nicht verlassen – man hatte ihr bereits ein Zimmer in dem nicht gerade militärisch klingenden Ederle Inn Hotel zugewiesen. Anschließend stand es ihr frei, da zu wohnen, wo es ihr beliebte, beispielsweise in einer privaten Unterkunft in oder um Vicenza. Sechs Wochen waren nicht allzu lang. Bis dahin würde sie im Joe Dugan’s Miller und Budweiser trinken und sich vielleicht sogar mit Männern wie diesem Private treffen – wenn auch nicht unbedingt bei Burger King – und sich Blumen schenken lassen.
    Sie wandte das Gesicht zum Fenster und sog mit ihrem Blick jedes einzelne italienische Straßen- und Nummernschild in sich auf, jede Gestik und jede Mimik der Fahrer und Passanten. Ein Teenager auf dem Weg zur Schule, der sein Mofa mit übertriebener Leichtigkeit durch den zähfließenden Berufsverkehr steuerte, hatte ein Mädchen mit rabenschwarzem Haar auf dem Sozius. Keiner von beiden trug einen Helm: Das Mädchen saß gegen die Fahrtrichtung, um das Stück heiße Pizza in ihrer rechten Hand essen zu können, das wie ein Taschentuch zusammengeklappt war. Der Junge rief ihr über die Schulter etwas zu; sie blickte auf, ihre braunen Augen waren voller Leben. Mit einer Mischung aus Sehnsucht und Freude erkannte Second Lieutenant Holly Boland sich selbst in dem Mädchen wieder, nur zehn Jahre jünger, wie sie hinten auf der Vespa von ihrem ersten Freund durch Pisa gedüst war.
    »Hier ist es«, verkündete Private Lewtas schließlich.
    Erst jetzt wurde Holly bewusst, dass sie an einer kahlen Mauer aus bombensicherem Beton entlangfuhren. Doch sie war nicht ganz kahl, wie sie bemerkte, denn stellenweise war die Wand mit Graffiti beschmiert. » NO DAL MOLIN « und » US ARMY GO HOME «, las sie. Am Straßenrand befanden sich mehrere Menschen – Zivilisten, die zum Teil in seltsamen Clown-Kostümen steckten, während andere Plakate mit weiteren Slogans in die Höhe hielten. Als die Demonstranten den Minibus erblickten, fuchtelten sie wild mit den Schildern.
    »Was ist denn hier los?«, erkundigte sie sich.
    »Ach, nichts weiter. Am Wochenende hängen immer Hunderte, wenn nicht gar Tausende von diesen Typen hier herum. Camp Ederle soll in den kommenden Jahren um das Doppelte vergrößert werden, darüber sind einige der Bewohner nicht allzu glücklich.«
    »Was bedeutet Dal Molin?«
    »So heißt der Flugplatz, auf dessen Fläche wir uns erweitern wollen.«
    Am Tor wechselte Lewtas einen kurzen Gruß mit den Wachen, während die Barriere hochging. Der Großteil der Diensthabenden waren Carabinieri, wie ihr auffiel, Leute von der italienischen Militärpolizei, die hier
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