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Marshall McLuhan

Marshall McLuhan

Titel: Marshall McLuhan
Autoren: Douglas Coupland
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Er schüttelte verständnislos den Kopf. Die Redaktionsräume leerten sich. Die Mittagspause verstrich, aber keiner der Angestellten kam zurück. Bartholomew fand das eigenartig. Er verließ sein Büro und ging auf seiner Etage nachsehen. Niemand da.
Hmm.
Er ging nach unten in die Lobby, aber weder dort noch auf der Straße war jemand zu sehen. Er lief durch die ganze Stadt, doch überall begegnete ihm nur Stille. Er schaute auf die Fernsehbildschirme an öffentlichen Plätzen: Sie zeigten die leeren Stühle des Nachrichtenteams vom dritten Programm, verwaisteFußballfelder, Verkehrsüberwachungskameras, die auf leere Straßen blickten.
    Also ging er zurück ins Büro und ließ sich die Situation durch den Kopf gehen, die für ihn im Grunde die Erfüllung eines Wunschtraums war – keine nervtötenden Leute mehr, die die Sprache nur weiter verhunzten und entwerteten! Aber wo waren alle hin? Er schaute auf seinen Monitor, wo nun in einem Fenster in der Mitte das Nachrichtenteam vom dritten Programm erschien.

    – Hi, Sie sehen das Nachrichtenteam vom dritten Programm. Mein Name ist Ed.
    – Ich bin Connie.
    – Und ich bin Frank. Wenn Sie diese aufgezeichnete Sendung sehen, wissen Sie, dass die Wiederkunft Christi endlich gekommen und das Gottesvolk in den Himmel aufgefahren ist – und Sie zurückgelassen wurden.
    – Weißt du, Connie, die Menschen fragen sich vielleicht, warum wir so reden, wie wir es gerade tun.
    – Du meinst in der Sprache, die Menschen zu Beginn des einundzwanzigsten Jahrhunderts gesprochen haben und nicht in der modernen, auf SMS basierenden?
    – Ganz recht, Connie.
    – [Kichern] Das liegt daran, dass diese Sendung nur von Menschen gesehen wird, die die neue Sprache nie angenommen haben und am Jüngsten Tag zurückgelassen wurden.
    – Die Sprache hat sich seitdem sehr verändert, Ed.
    – Das kann man wohl sagen!
    – In den alten Zeiten zerbrachen sich die Menschen den Kopf über Grammatik und Rechtschreibung.
    – Die reinste Gehirnverschmutzung!
    – Du sagst es, Frank. Nicht von der Art, wie man sie mit etwas Sprudelwasser und Rubbeln wegbekäme.
    – [Alle kichern.]
    – Aber nachdem die Menschen so schlau geworden waren, dass sie sprachen, wie sie simsten, und die Sprache auf ihr ursprüngliches Grunzen und Stöhnen hatten zurückschrumpfen lassen, wurden auch sie selbst ursprünglicher, elementarer …
    –
Echter.
    –
Das
ist das Wort, nach dem ich gesucht habe, Connie. Echter.
Authentischer
.
    – Und nachdem die Menschen erst mal authentischer geworden waren und lieber über Laute und Geräusche kommunizierten als durch Worte, änderte sich auch ihr ganzes Innenleben. Mit diesen endlosen, schlimmen, selbstsüchtigen Gedankenmonologen war endlich Schluss. Ein himmlischer Frieden breitete sich über ihre Existenz. So kamen sie ganz zufällig Gott näher.
    – Und sitzen nun alle auf Gottes Schoß.
    – Wo wir mittlerweile ebenfalls sind!
    – Also, alles Gute aus der ewigen Seligkeit, Sie Nörgler, die Sie zurückbleiben mussten.
    – Das Nachrichtenteam vom dritten Programm wünscht Ihnen eine angenehme Nachtruhe. Mein Name ist Ed.
    – Ich bin Connie.
    – Und ich bin Frank.
    – [alle] Wir wünschen Ihnen noch viel Spaß im irdischen Jammertal!
    Seltsames Blut
    In Marshalls Gehirn gelangte frisches Blut durch nicht nur eine sondern gleich zwei Arterien, eine Besonderheit, die unter Säugetieren hauptsächlich bei Katzen vorkommt, bei Menschen dagegen so gut wie nie. 4 Außerdem kamen in Marshalls Familie mehrmals tödliche Schlaganfälle vor. Marshall selbst erlitt in seinem Leben unzählige kleine Schlaganfälle – manchmal direkt vor seinen Studenten, wo sein Bewusstsein dann plötzlich für ein paar Minuten aussetzte und kurz darauf wieder da war.
    Warum ich diese medizinische Information erwähne? Um von vornherein klarzustellen, dass Marshall nicht bloß anders, sondern
sehr
anders war, und nicht nur in seinem Denken. Vielmehr waren diese biologischen Mechanismen verantwortlich dafür, dass er so dachte und denken konnte. Wenn man die Unmengen von Faktoren betrachtet, die eine Identität ausmachen, spielt die soziale Umwelt natürlich eine wesentliche Rolle, aber da die kulturelle Persönlichkeitswahrnehmung in den letzten Jahren immer mehr medikalisiert wurde, sollten wir uns nicht nur mit Marshalls Familie und Herkunft, sondern auch mit seinem Körper befassen.
    Ein Junge aus der Prärie
    Marshalls Körper erblickte die Welt am 21. Juli 1911 in Edmonton, Alberta. 1911
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