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Marshall McLuhan

Marshall McLuhan

Titel: Marshall McLuhan
Autoren: Douglas Coupland
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nur selten gelehrt wird. Es waren größtenteils Frauen – beziehungsweise
Ladys
–, denen beigebracht wurde, ihre Stimme und ihren Körper wirkungsvoll einzusetzen und damit große Werke der Literatur und Poesie zum Leben zu erwecken. Elsie war ein Naturtalent. Sie arbeitete wie eine Wahnsinnige an sich und war, soweit bekannt, sensationell gut.
    Zwei Jahre später folgte Elsie, inzwischen achtzehn, aus nie geklärten Gründen ihrer Familie nach Alberta. 1909 redete man im englischsprachigen Kanada einfach nicht groß über solche Dinge. Tante Soundso »ist zu Bett gegangen«. Onkel Soundso war »in Sorge«. Gründe für einschneidende Ereignisse wurden weder geliefert noch erwartet. Und so nahm Elsies Karriere in Nova Scotia ein jähes Ende, und sie geriet erneut in den Einflussbereich ihres Horrorvaters, wenn auch im nahe gelegenen Mannville, wo sie als Lehrerin arbeitete und im Haus von (… Trommelwirbel) James Hilliard McLuhan wohnte.
    James war der Vater von Herbert, und Herbert war ein Frauentyp, zehn Jahre älter als Elsie, wortgewandt und überall beliebt. Elsie konnte nur von Glück reden, einen Fang wie ihn gemacht zu haben, und für Herbert galt dasselbe. Sie heirateten am 31. Dezember 1909 und zogen noch im folgenden Jahr nach Edmonton, das gerade einen Landboom erlebte. Herbert stieg in den Immobilienhandel ein, es herrschte allgemeine Aufbruchsstimmung,und die McLuhans führten ein gutes Leben. In diese Welt wurde am 21. Juli 1911 ihr erstes Kind, Herbert Marshall, geboren, gefolgt von seinem einzigen Geschwister, Maurice, der zwei Jahre später kam.
    Elsie, die kosmopolitische Kraft in Marshalls Leben, lebte nie wieder in einer Kleinstadt.

    Wenn wir durch unsere Geburt in eine Familie eintreten, betreten wir eine Welt, die unermesslich ist, eine Welt, die ihre eigenen seltsamen Gesetze hat und die ebenso gut ohne uns auskäme, eine Welt, die wir nicht geschaffen haben. Mit anderen Worten, wenn wir in eine Familie eintreten, betreten wir ein Märchen.
    G. K. Chesterton
    Ein ungleiches Paar
    Elsie und Herbert waren ein ungleiches Paar. Als sie jung waren, hatten sie ein paar gute Momente, aber je älter sie wurden, desto mehr wurde ihre Beziehung von persönlichen Differenzen überschattet. Elsie war eigensinnig, hatte gesellschaftliche Ambitionen, wollte sich kreativ ausdrücken und war wie ihr Vater ein emotionales Jo-Jo. Ob durch Anlage oder Erziehung, jedenfalls hatte sie seine urplötzlichen Stimmungsschwankungen und sein Temperament übernommen. Genau wie er hatte sie eine Abneigung gegenüber schwachen Männern, die nicht einstecken konnten. Der zehn Jahre ältere Herbert war ein fröhlicher, gebildeter Mensch, der sich gern durchs Leben treiben ließ und weder Elsies Energie noch ihre Neurosen teilte. Doch mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs machte seine Firma Ende des Jahres 1914 pleite. Er meldete sich bei der Armee, wurde aber dank der Nachwirkungen einer Grippe-Infektion bald wieder entlassen und bekam dann, nach einer kurzen Phase der Ungewissheit, 1915 in Winnipeg einen Job als Versicherungsverkäufer.
    Peg, WinniPeg
    Glanz und Stil sind relative Größen. Für Elsie war es ein Traum, von Edmonton ins feine Winnipeg zu ziehen, dazu besaß die Stadt noch einen weiteren Pluspunkt: die Alice Leone Mitchell School of Expression. Dort konnte Elsie ihre Studien wieder aufnehmen. Die McLuhans zogen in ein Haus in der hübsch gelegenen Gertrude Avenue, wo Marshall und Maurice wohnen blieben, bis sie junge Männer waren.
    Winnipeg war die drittgrößte Stadt Kanadas, und als 1914 der Panamakanal in Betrieb genommen wurde, waren sowohl die Eisenbahn als auch Winnipeg schwer davon betroffen, woraufhin die Stadt allerdings die weise Entscheidung traf, ihre Wirtschaft durch Diversifikation zu stabilisieren, so dass sie besser als die meisten anderen auf die Weltwirtschaftskrise vorbereitet war. Und trotz ihrer Größe (sie war kleiner als die meisten nordamerikanischen Städte), ihrer asteroidenartigen Lage und den launischen Wintern war Winnipeg zu einem kulturellen Leitstern des Westens geworden, mit einem Ballett, einer Kunsthalle, einem Sinfonieorchester und diversen Theatern. Für Elsie war es der Himmel auf Erden, die Kinder jedoch begeisterten sich eher für die Prärie und deren unendlich weiten Himmel. Die Sommer verbrachten die Jungs mit der Familie auf einer Farm südlich der Stadt, wo sie Tiere und das Leben auf dem Land kennen lernten, statt mit Landstreichern und Polio in Berührung zu
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