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Marshall McLuhan

Marshall McLuhan

Titel: Marshall McLuhan
Autoren: Douglas Coupland
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war Edmonton nicht der schlechteste Platz auf Erden. Viele Menschen fühlten sich sehr wohl dort. Zum Beispiel seine Eltern – oder zumindest sein Vater. Bei Marshalls Mutter sah die Sache etwas anders aus.
    Ein wenig Familiengeschichte: McLuhan hieß mit ganzem Namen Herbert Marshall McLuhan, wobei McLuhan ursprünglich McClughan geschrieben wurde. William McClughan, der dem Alkohol zugetane jüngere von zwei Söhnen, wanderte 1846 aus dem irischen County Down nach Kanada aus, zusammen mit seiner Frau Mary Edith Bradshaw und drei Kindern. Williams kanadisches Ozeanabenteuer war untypisch für die Zeit, zumal er und seine Familie nicht etwa auf einem der vor der Hungersnot fliehenden Seelenverkäufer in die Neue Welt kamen, sondern sogar etwas Geld besaßen – und zur nordirisch-protestantischen Siedlergemeinschaft von Grundeigentümern gehörten.
    Aber nachdem sie sich in der Nähe von Barrie, Ontario, niedergelassen hatten, war das Geld schnell aufgebraucht. William und seine drei Söhne arbeiteten als Holzfäller. Einer von ihnen, James, Marshalls Großvater, zog weiter in das unchristliche Gewirr der Wälder im Nordwesten Ontarios, wo er schließlich an die hundert Morgen Land sein Eigen nannte und als eine Art Gemeindevorsitzender eine entscheidende Rolle bei der Errichtung der damaligen Kommunikationswege (Straßen und Telegrafenleitungen) spielte.
    Zu jener Zeit bestand Kanada westlich von Quebec größtenteils aus schottischen, englischen und irischen Schafsköpfen, die gottesfürchtig, theoretisch abstinent, Kirchgänger und sparsam waren und so ziemlich jedes Klischee erfüllten, das es brauchte, um die unmenschliche, einsame Knochenarbeit der Besiedelung durchzustehen. Man kann sich kaum vorstellen, wie unerbittlichder Kontinent damals war. Nicht nur, dass die Siedler alles Vertraute und jeden Komfort hinter sich gelassen hatten, sie besiedelten außerdem ein Land, das kartografisch größtenteils noch nicht erfasst war und von Moskitoplagen heimgesucht wurde, um dann regelmäßig in grimmigen Wintern zuzufrieren.
    Marshalls Großvater James heiratete 1874 ein Mädchen aus Edinburgh, Margaret Grieve. Sie war zehn Jahre jünger als er und überaus fromm. Sie hatten zusammen neun Kinder. Das vierte war Marshalls Vater: Herbert Ernest McLuhan.
    James McLuhan wurde 1907 siebzig Jahre alt, was zu der Zeit nicht gerade häufig vorkam. Aber nicht nur das, er nutzte den Anlass, um noch mal von vorn anzufangen und mit seiner Familie nach Mannville, Alberta, zu ziehen, ein nicht mal zwei Jahre altes Nest in der wildesten Provinz. Das war ein Schritt, der nur Sorge und Ehrfurcht unter seinen Mitmenschen hervorrufen konnte. James war ein intelligenter und angesehener Mann. Er war lustig und gesellig, und er liebte Musik, Tanz und Astronomie. Er stirbt 1919 im Alter von zweiundachtzig Jahren.
    In der Familie ist man sich offenbar einig, dass Marshall es von ihm geerbt haben muss, so gern vor vielen Leuten zu stehen, während James’ kirchentreue Frau Margaret im Allgemeinen für die hitzige Religiosität und Strenge verantwortlich gemacht wird, die sowohl Marshall als auch Herbert eigen waren. Auch dies ist vielleicht nicht nur eine Frage der Erziehung – die Frömmigkeit und der religiöse Impuls werden teilweise vom limbischen System des Gehirns gesteuert. Da es sich hierbei um einen neurostrukturalen Zusammenhang handelt, ist diese Eigenschaft vererbbar.
    Marshalls Großeltern mütterlicherseits waren im 19. Jahrhundert aus dem englischen Bristol ausgewandert. Sein Großvater Henry Seldon Hall ließ sich in Nova Scotia nieder und versuchte erfolglos, Heu zu produzieren, bevor er die Familie nach Nord-Alberta verpflanzte, um dort neu anzufangen. Über Henry Seldon Hall lässt sich wohl eines klar sagen: Er war einziemlicher Mistkerl. Er las die Bibel und schlug seine Arbeiter. Er war ein Tyrann und ging brutal gegen jeden vor, der sich ihm widersetzte. Die Einzige, die sein wahres Wesen erkannte – und so lange gute Miene zum bösen Spiel machte, bis sie die Flucht ergriff –, war seine 1889 geborene Tochter Elsie Naomi Hall. Ihr war klar, dass ihr Vater ein Monster war. Sobald sie konnte, nämlich mit sechzehn, wurde sie Lehrerin an einer Baptistenschule und blieb in Nova Scotia, als ihre Eltern 1906 nach Alberta zogen. Elsies Ausbildung zur Lehrerin war richtungsweisend für ihre Zukunft – und die von Marshall –, insofern sie dabei lernte, vor anderen zu sprechen, eine Kunst, die in unserem Jahrhundert
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