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Marlene Suson 2

Marlene Suson 2

Titel: Marlene Suson 2
Autoren: Der Mitternachts-Lord
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Richtung, aus der die Geräusche kamen, und erkannte Jerome und seinen Bruder, die ihre Pferde neben der Kutsche zügelten. Stephen wußte sofort, daß etwas Schreckliches geschehen sein mußte,

sonst wäre Lord Morgan, dem Jerome während seiner Abwesen- heit die Verantwortung für Royal Elms übertragen hatte, nicht nach London gekommen.
    Stephens erster Gedanke war Megan, und Angst preßte ihm das Herz zusammen. „Was ist los?“ stieß er mit heiserer Stimme hervor.
    Morgan reichte ihm einen Brief. Im trüben Licht des frühen Abends erkannte Stephen, daß er Megans Handschrift trug und an ihn adressiert war. „Den hat Ihre Frau für Sie hinterlassen.“
    Stephen brach das Siegel und überflog den Brief. Völlig ent- geistert starrte er Jerome und Morgan an. „Sie schreibt, daß sie auf dem Rückweg nach Virginia ist, wenn ich diese Zeilen lese.“
    „Noch nicht ganz, aber sie ist schon an Bord des Schiffes, das mit der Abendflut ausläuft.“
    Stephen war wie vom Schlag getroffen. „Sie ist hier in London? Wie ist sie hergekommen?“
    „Genau wie wir, zu Pferde“, sagte Jerome und saß ab. „Sie hat sich auf direktem Weg zum Hafen begeben.“
    Stephen war entsetzt. „Um Gottes willen! Weiß sie denn nicht, wie gefährlich es für eine Frau ist, mutterseelenallein in einer so finsteren Gegend herumzulaufen?“
    „Sie ist nicht allein. Ferris folgt ihr auf Schritt und Tritt. Er wird über sie wachen, bis das Schiff ausläuft, was, nebenbei be- merkt, in Kürze geschehen wird.“ Jerome reichte ihm die Zügel seines Pferdes. „Du hast keine Zeit zu verlieren. Nimm mein Pferd, und reite zum Hafen. Morgan wird dich begleiten, und ich folge mit der Kutsche nach. Ich bete zu Gott, daß du das Schiff noch rechtzeitig erreichst.“
    Meg stand an der Reling des Handelsschiffs und sah zu, wie die Seeleute durch das Tauwerk kletterten, während sie darangin- gen die Anker zu lichten. Ihre heiseren Rufe erfüllten die Luft. In ein paar Minuten würde Meg England für immer verlassen.
    Und ihren Mann würde sie nie wiedersehen.
    Ihm würde es gewiß nichts ausmachen. Im Gegenteil, er würde heilfroh sein, die Frau endlich loszuwerden, die er nur unter Zwang geheiratet hatte.
    Obwohl sie mit aller Macht versuchte, die Tränen zurückzu- halten, strömten sie ihr über die Wangen. Ihr Herz war voll

Schmerz und Gram bei dem Gedanken an ihren Mann, den sie doch über alles liebte.
    Zu sehr, um ihn gegen seinen Willen an sich zu binden.
    Das sollte ihr Geschenk für ihn sein – seine Freiheit.
    Sie legte die Hand auf ihr Herz und spürte die Kolibri-Bro- sche, die sie sich unter den Kleidern ans Hemd gesteckt hatte. Eigentlich hätte sie sie zurücklassen müssen, doch dazu hatte sie sich nicht überwinden können. Sie würde ihr heimlicher Schatz sein, den sie in den langen, einsamen Jahren, die nun vor ihr lagen, wie ihren Augapfel hüten würde.
    Die Offiziere bellten ihre Befehle jetzt noch schärfer und drän- gender, und die Flüche der Seeleute wurden noch derber. Dann begannen sie, die Gangway einzuholen.
    Nun war es zu spät, um das Schiff noch zu verlassen. Ihre Tränen flossen noch reichlicher, doch sie versicherte sich im- mer wieder, daß sie das Richtige tat – das Richtige für alle Beteiligten.
    Ist es das wirklich? Was ist mit dir selbst?
    Mit einer ruckartigen Bewegung wischte sie sich energisch die Tränen ab und kniff die Augen fest zusammen, als könnte sie damit all ihre Zweifel aussperren.
    In dem Geschrei der Seeleute schwang plötzlich ein neuer Ton mit. Sie hörte die Gangway wieder auf den Kai rasseln und dann die hastigen Schritte eines Matrosen, die in ihre Richtung kamen. Doch ihr war viel zu elend zumute, um sich darum zu kümmern. Alles war plötzlich so gleichgültig geworden. Sie hielt die Augen fest geschlossen, um einen weiteren Tränenausbruch zu verhindern.
    Plötzlich wurde sie von derben Händen gepackt und herum- gerissen. Erschrocken öffnete sie die Augen.
    Stephen!
    Und er sah zorniger aus, als sie ihn je zuvor gesehen hatte.
    Sie fuhr zurück und versuchte, sich von ihm loszumachen.
    „Verdammt, Megan, du kommst jetzt mit.“
    „Nein!“
    Fluchend hob er sie vom Boden hoch. Als sie sich von dem Schock erholt hatte und wieder zu einer Regung fähig war, merkte sie, daß er ihre Arme und Beine so fest wie in einem Schraubstock hielt.
    „Laß mich runter“, herrschte sie ihn an, doch sie redete wie

gegen eine Wand. Mit seiner Last auf den Armen stapfte Ste- phen
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