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Mark Brandis - Testakte Kolibri

Mark Brandis - Testakte Kolibri

Titel: Mark Brandis - Testakte Kolibri
Autoren: Mark Brandis
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vorherrschten.
    Stafford war offenbar bestrebt, zwischen uns kein Schweigen aufkommen zu lassen – vielleicht, weil er glaubte, daß menschlicher Kontakt für mich in diesem Augenblick die beste Medizin sei. Erst später begriff ich, wie nötig er selbst es hatte, die Schatten zu verscheuchen, die sich über uns gebreitet hatten. Solange man noch imstande war, miteinander zu plaudern, blieb der Tod ein gebanntes Gespenst.
    »Man muß diesem Projekt ziemlich viel Bedeutung zumessen, wenn man ausgerechnet Sie hierherschickt.«
    Ich wollte nicht unhöflich erscheinen. Gewiß war Baklanow auch sein Freund gewesen. Meiner Trauer konnte ich mich später hingeben – allein in meinen vier Wänden. »Man verspricht sich ziemlich viel von Kolibri.«
    »Zivil oder militärisch?«
    »Ich glaube, beides spricht da etwas mit. Und wer gibt schon gerne auf – so dicht vor dem Ziel?«
    Stafford schüttelte langsam den Kopf.
    »Wenn Sie mich fragen, Brandis – Kolibri ist eine verdammte Mißgeburt. Man sollte ihr den Hals umdrehen und einen Schlußstrich ziehen.«
    »Wir werden sehen.«
    »Was sehen? Wie es den sechsten und siebenten erwischt?«
    »Niemand zwingt Sie, einen Kolibri zu fliegen. Ein Wort von Ihnen, und Sie werden noch heute zu einem anderen Projekt versetzt.«
    Stafford wandte mir ein eisiges Gesicht zu.
    »Sir, auf dieses Wort können Sie lange warten. Ich bin nicht Testpilot geworden, um davonzulaufen. Wenn Sie sagen, dieses Miststück hat eine reelle Chance – nun, dann soll es diese Chance haben. Die Frage ist nur: hat es die?«
    »Es hat sie«, sagte ich. »Im Prinzip gibt es nichts daran auszusetzen. Und Sie sagen ja selbst: zehnmal, zwanzigmal geht alles gut.«
    »Aber dann, plötzlich, hakt es aus. Warum?«
    Ich zuckte mit den Achseln. »Wir werden es herausfinden. Das ist unsere Arbeit.«
    »Nun, vielleicht finden Sie‘s wirklich heraus, vielleicht.« Staffords Stimme ließ sich entnehmen, daß er nicht daran glaubte.
    Wenn seine Stimmung die allgemein vorherrschende war, sagte ich mir, dann allerdings stand es schlecht um das Projekt Kolibri . Nichts konnte ihm abträglicher sein als Resignation und Gleichgültigkeit. Allerdings – eine solche Stimmung bildete sich nicht ohne Grund heran, am wenigsten in einem Kreis harter Testpiloten. Offenbar hatte sich Commander Harris, der Direktor der VEGA, meine Aufgabe leichter vorgestellt, als sie in Wirklichkeit war: »Das wäre doch eigentlich was für Sie, Brandis. Wie ich höre, muß Ihre Hermes ohnehin für ein paar Wochen in die Werft. Warum gönnen Sie sich nicht eine Zeit unter südlicher Sonne und bringen die Sache in Ordnung?« Auf einmal war nichts Verlockendes mehr da, schon gar nicht an dieser südlichen Sonne, die das Land versengte. Ob Harris das vorher gewußt hatte?
    Wir durchfuhren einen welkenden Palmenhain, und dann lag vor uns das Camp: ein Dutzend gestreckter Baracken, von denen die größte die Aufschrift trug: VEGA. Venus - Erde: Gesellschaft für Astronautik . Zwischen den Baracken stäubte unter der grellen Sonne der Sand, nur daß er hier nicht weiß war wie am Strand, sondern schwarz, wahrscheinlich vulkanischen Ursprungs. Hinter den Baracken erhob sich ein hohes kuppelförmiges Bauwerk aus lichtdurchlässigem Monobet: die Werft.
    »Hatten Sie mehr erwartet, Brandis?«
    »Kaum«, erwiderte ich. »Es ist alles da, was benötigt wird. Wo werde ich wohnen?«
    »In der Stabsbaracke .«
    Die Stabsbaracke war jene mit der Aufschrift. Sie war wohnlich eingerichtet und vollklimatisiert. Dankbar genoß ich die erfrischende Kühle. Alles, was ich in den kommenden Wochen für das Leben und für die Arbeit brauchte, war vorhanden.
    Stafford schritt an mir vorüber und öffnete den Kühlschrank.
    »Ich habe mir erlaubt, eine Flasche bereitzustellen. Ich nehme an, Sie lehnen nicht ab.«
    »Nicht, wenn Sie ein Glas mittrinken.«
    Um Staffords Lippen schien plötzlich ein böses Lächeln zu schweben.
    »Ab und zu ein Schluck aus der Flasche ist so ziemlich alles, was einen hier noch hoffen läßt. Sie werden noch dahinterkommen.«
    Ich hatte es befürchtet. Die Stimmung im Camp war auf dem Null punkt. Früher oder später würde ich eingreifen müssen. Aber nicht heute, nicht jetzt.
    Stafford hob sein Whiskyglas.
    »Nochmals – willkommen auf der Insel der Verdammten, Brandis! Und nichts für ungut.«
    »Und auf das Projekt Kolibri!« sagte ich.
    Stafford leerte sein Glas und warf es fort.

Kapitel 02
    Als ich unter der Dusche hervorkam, sah ich,
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