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Mark Brandis - Testakte Kolibri

Mark Brandis - Testakte Kolibri

Titel: Mark Brandis - Testakte Kolibri
Autoren: Mark Brandis
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dienstfreien Mechaniker eine Partie Billard zu spielen: ein mittelgroßer, sehniger, dunkelhaariger Mann, der, wie ich wußte, nach einem längeren Genesungsurlaub erst vor einem Monat zum Kolibri -Team versetzt worden war. Seine Freude über meine Ernennung zum verantwortlichen Projektleiter schien ungeheuchelt zu sein; andererseits war auch er von der allgemeinen Verdrossenheit offenbar angesteckt.
    »Was sagen Sie zu Baklanow, Brandis?«
    »Ich wollte, es hätte sich nicht ereignet.«
    Vargas stieß mit dem Queue nach einer Kugel, verfehlte sie und gab das Spiel mit einem Achselzucken verloren. »Kommen Sie, Brandis! Ich gebe einen aus. Trinken wir auf die Nummer Sechs in diesem Scheißspiel!«
    Ich rührte mich nicht. »Es wird keine Nummer Sechs geben, Vargas.«
    Er sah mich mit stumpfen Augen an, und ich begriff, daß er betrunkener war, als er sich nach außen hin gab.
    »Warum? Weil Sie der große Mann aus Metropolis sind? Brandis, das Projekt Kolibri ist ein Fleischwolf. Die einzige vernünftige Entscheidung wäre, die Versuche einzustellen.«
    In der VEGA-Zentrale war man von der Zukunftsträchtigkeit des Projektes überzeugt. Später einmal würden große Mutterschiffe die Kolibris in fremde Galaxien tragen. Dort brauchte man für Kundschafter solche Raumschiffe, die im Wasser ebenso wie in der Luft und im freien Raum navigieren konnten. Ein gewaltiges Programm – in seiner Bedeutung nur zu vergleichen mit dem ersten bemannten Mondflug – wartete darauf, daß ihm von Espiritu Santu grünes Licht gegeben wurde.
    »Vargas, zum Weitermachen wird hier niemand gezwungen.«
    »Was soll das heißen? Wollen Sie mich rausschmeißen?«
    »Ich könnte Sie versetzen lassen.«
    Vargas schüttelte den Kopf. »Ich pfeife auf meine Versetzung.«
    »Offen gesagt, Vargas, ich habe auch nichts anderes von Ihnen erwartet. Wir werden diesen Kolibri schon zähmen.«
    Ich wollte hinausgehen.
    Vargas sprach mich noch einmal an. »Wohin? Ich denke, wir trinken ein Glas zusammen, Brandis.«
    Ich drehte mich um.
    »Nach getaner Arbeit, nicht jetzt. Bis auf weiteres wird in diesem Camp kein Alkohol mehr fließen, weder im Kasino noch in den Ouartieren. Betrachten Sie das als dienstlichen Befehl.«
    Vor dem Kasino, von der gleißenden Sonne geblendet, stieß ich um ein Haar mit Henri Vidal zusammen.
    »Das gilt auch für Sie!« sagte ich.
    »Was?« fragte er.
    »Kein Alkohol mehr, solange das Projekt läuft.«
    Ich bestieg den Transporter und fuhr zur Werft, wo ich mich mit dem Chefingenieur Osburg bekannt machte, einem erfahrenen VEGA-Techniker, der bereits an der Diana - und Epsilon -Reihe mitgearbeitet hatte. Osburg gab unumwunden zu, daß er vor einem Rätsel stand. Nach menschlichem Ermessen, sagte er mir, gab es an den Berechnungen nichts auszusetzen. Er machte auf mich einen niedergeschlagenen, übermüdeten Eindruck. Gleichwohl verließ ich ihn mit dem guten Gefühl, daß er für diese Arbeit der richtige Mann war.
    Eigentlich hatte ich vorgehabt, nunmehr dem Tower einen Besuch abzustatten, aber ich besann mich anders und fuhr geradewegs hinaus zum Strand, wo die fünf Kolibris abgestellt waren: nur noch die Hälfte der ersten Serie. Aus unmittelbarer Nähe betrachtet, wirkten sie mehr denn je wie riesige Flundern – ein Eindruck, der noch verstärkt wurde durch die beiden Bullaugen, die die einzige Verglasung des Cockpits bildeten.
    Es war heiß. Der Sand stäubte um meine Füße, und in der Luft wetteiferte das Zirpen der Zikaden mit dem Dröhnen der Brandung. Zum zweitenmal an diesem Tag überkam mich das Gefühl völliger Verlassenheit. Nicht einmal ein Wächter war zu sehen. Die wertvollen Schiffe waren sich selbst überlassen.
    Ich memorierte die wichtigsten Daten: Mehrzweckschiff Kolibri, 35 Meter, atomarer Antrieb, Aktionsradius 2211 Tage (nach Metropoliszeit), zulässige Tauchtiefe 2500 Meter, ein Pilot . Alle menschliche Erfahrung der Gegenwart, alles Wissen der Technik und die Kunst der fähigsten Ingenieure des Landes waren in diesem Projekt zusammengeflossen. Computer hatten die Berechnungen geprüft, ohne auch nur einen einzigen Fehler zu finden. Und erst, als man sicher sein konnte, daß die Konstruktion völlig ausgereift war, hatte man sie weitergegeben an die Abteilung Testflug. Es gab keinen erkennbaren Grund für alle diese Unfälle. Bereits nach dem ersten Unfall war im Hauptwerk eine sogenannte Kontrollanalyse durchgeführt worden. Nicht einmal die Ursache einer möglichen Ursache konnte ermittelt
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