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Mark Brandis - Testakte Kolibri

Mark Brandis - Testakte Kolibri

Titel: Mark Brandis - Testakte Kolibri
Autoren: Mark Brandis
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zurückgekehrt.«
    »Baklanow?«
    Staffords Daumen stieß in den Himmel. »Irgendwo da oben – ohne Rückfahrkarte.«
    Mir schwindelte – vielleicht, weil ich barhäuptig unter der tropischen Sonne stand. Stafford, Espiritu Santu, das lange Warten, mein Verdruß: alles war auf einmal von untergeordneter Bedeutung. Boris Baklanows verwegenes Jungengesicht war vor mir aufgetaucht – lachend und unbekümmert, und ich vermeinte seine Stimme zu hören wie in jenen alten unvergeßlichen Tagen, in denen wir zusammen die Schulbänke der VEGA gedrückt und astrale Navigation gebüffelt hatten.
    Wie sehr hatte ich mich auf ein Wiedersehen gefreut! Wie glücklich war ich gewesen, wieder einmal mit ihm zu fliegen, Seite an Seite! Und nun war auch Boris Baklanow diesem mörderischen Projekt Kolibri zum Opfer gefallen: als Nummer Fünf auf der langen und traurigen Liste. Ich spürte, wie mein Gaumen trocken wurde und wie mein Herzschlag sich verlangsamte, und auf einmal schämte ich mich meiner Überheblichkeit. Welches Recht hatte ich denn, mich so wichtig zu nehmen? Hier war der falsche Zeitpunkt und der ungeeignete Ort, um den Commander hervorzukehren.
    Irgendwie gelang es mir, mich zusammenzureißen, doch während ich nun meinerseits Stafford die Hand reichte, spürte ich lastender denn je die Pflicht und Verantwortung, die ich mir mit der Annahme dieser Kommandierung aufgeladen hatte. Irgendwo in diesem kostspieligen Projekt saß der Wurm und trotzte hartnäckig allen Versuchen, ihn aufzuspüren.
    »In diesem Fall«, sagte ich, »bin ich es, der sich entschuldigen muß. Vergessen Sie‘s, Stafford, bitte.«
    Stafford drückte kurz und fest meine Hand, und das unerläßliche Vertrauensverhältnis war hergestellt.
    »Ich bedauere«, entgegnete er, »daß ich Ihnen nichts Erfreulicheres mitteilen konnte. Baklanow war Ihr Freund, nicht wahr? Er hat uns viel von Ihnen erzählt.«
    Im Alltag eines Testpiloten war für Gefühlsaufwallungen kein Platz. Mit jedem Flug, den man heil und gesund hinter sich brachte, wurde einem ein Stück Leben zurückgeschenkt. Darauf kam es an, im Guten und im Bösen.
    »Wie ist es passiert?«
    Stafford hob die Schultern. »Immer wieder das gleiche. Entweder du ersäufst – oder du katapultierst dich zu den Sternen. Baklanow hat es vorgezogen, nicht bei den Fischen zu bleiben.«
    »Und keine Ahnung, warum das so ist?«
    »Nicht die leiseste. Zehnmal, zwanzigmal geht alles gut – und dann das !«
    Was Stafford lapidar mit das bezeichnete, befand sich noch an Bord der Diana : eine dicke Mappe mit Unfallprotokollen, die einander glichen wie ein Ei dem anderen, versehen mit Commander Harris‘ handschriftlichen Anmerkungen. Meine Aufgabe war es, den Wurm zu finden, der an alledem die Schuld trug. Das Projekt Kolibri , das nach einem vielversprechenden Anfang unversehens zum Moloch geworden war, der Menschen verschlang, lag, seitdem ich den Fuß auf die staubige Erde von Espiritu Santu gesetzt hatte, völlig in meiner Hand.
    »Wann erhalte ich das Protokoll?«
    »In ein paar Stunden. Aber ich bezweifle, daß es Ihnen weiterhilft. Wir stehen glattweg vor einem Rätsel.«
    »Wir werden nachher in Ruhe darüber reden. Vielleicht stoßen wir doch noch auf etwas, was bisher übersehen wurde. Vorerst möchte ich mein Quartier kennenlernen und mit dem Team bekanntwerden.«
    Stafford neigte zustimmend den Kopf.
    »Ihre Unterkunft ist bereits gerichtet. Allerdings – erwarten Sie davon nicht zu viel. Die Neuen Hebriden sind nicht Metropolis. Wie steht‘s mit Ihrem Gepäck?«
    »An Bord.«
    »Wenn es Ihnen recht ist, lasse ich es später abholen. Mir scheint, ein kühler Drink ist erst einmal wichtiger.«
    Stafford wartete, bis ich den Transporter bestiegen hatte, dann setzte er sich ans Steuer. Unter uns begann das Landefeld zu stäuben.
    »Wie gesagt, Brandis, Komfort wird bei uns kleingeschrieben, aber die Werftanlagen sind erstklassig. Ich nehme doch an, man hat Sie unterrichtet, weshalb man sich beim Kolibri -Projekt für Espiritu Santu entschieden hat?«
    Ich nickte stumm. Ich war tiefer getroffen, als ich zeigen durfte. Nur Zeit und Arbeit konnten die Wunde schließen. Bevor ich Metropolis verließ, hatte ich mich mit Informationen vollstopfen lassen; es gab seitdem nichts, was ich über das Projekt Kolibri nicht wußte. Für den Aufbau eines eigenen Versuchszentrums auf den Neuen Hebriden hatte man sich vornehmlich deshalb entschieden, weil hier die günstigsten Unterwasserbedingungen
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