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Pendergast 04 - Ritual - Höhle des Schreckens

Pendergast 04 - Ritual - Höhle des Schreckens

Titel: Pendergast 04 - Ritual - Höhle des Schreckens
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston
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    Medicine Creek, Kansas, Anfang August, die Stunde des Sonnenuntergangs.
    Von Horizont zu Horizont erstreckt sich das wogende gelbe Meer der Maisfelder, der Himmel sieht aus, als zürne er. Sooft ein Windhauch durch die Stängel streicht, scheinen die Kolben flüsternd und raunend zum Leben zu erwachen, aber sobald dem Wind der Atem ausgeht, verstummt der Spuk. Die Hitzewelle dauert nun schon seit drei Wochen an, die ausgelaugte Luft dümpelt wie ein flirrender Schleier über den Feldern.
    Zwei Straßen durchschneiden das gelbe Meer, eine von Nord nach Süd, die andere von West nach Ost. An ihrer Schnittstelle liegt die Stadt: eine Ansammlung grauer, eng aneinander gedrängter Gebäude, die freilich, je weiter das Zentrum zurückbleibt, immer mehr von Einzelhäusern abgelöst wird, danach kommt noch die eine oder andere Farm – und dann nichts mehr. Ein von kümmerlichen Bäumen gesäumter Bach fließt, von Nordwesten kommend, Richtung Stadt, schlängelt sich träge um sie herum und verschwindet dann Richtung Südosten. Das Bemerkenswerteste an ihm sind seine Biegungen und Schleifen, fast ein Phänomen in der eintönigen, wie am Reißbrett entworfenen Landschaft. Nur im Nordosten, wo auf einem Hügel ein paar Bäume stehen, findet das Auge ein wenig Abwechslung.
    Südlich der Stadt ragt – wie ein Fremdkörper im schier endlosen Gelb – ein riesiges Schlachthaus in die Höhe, auf dessen Wellblechwänden sich im Laufe der Jahre Staub und Schmutz abgelagert hat. Wenn Wind aufkommt, driftet ein schwacher Geruch von Blut und Desinfektionsmitteln nach Süden, denn dorthin treibt der Wind, wenn er denn weht, alles. Knapp am Horizont ragen drei hohe Maissilos auf – wie eine bizarre Fata Morgana, die unwillkürlich an einen gestrandeten Dreimastschoner denken lässt.
    Die Temperatur beträgt exakt fünfundvierzig Grad. Hitzegewitter malen das grandiose Schauspiel lautlos zuckender Blitze an den nördlichen Horizont. Der Mais steht über zwei Meter hoch, prall gefüllte Kolben drängen sich dicht an dicht, bis zur Ernte sind es noch zwei Wochen.
    Zwielicht senkt sich über die Landschaft, das Orange des Himmels färbt sich blutrot, in der Stadt gehen die ersten Lichter an. Ein schwarz und weiß lackierter Streifenwagen der Ortspolizei prescht die Hauptstraße hinunter, die Scheinwerfer bohren sich in die beginnende Dunkelheit. Er fährt stadtauswärts, dorthin, wo es nur das wogende Gelb gibt.
    Etwa drei Meilen vor dem Fahrzeug schrauben in der Thermik einige Truthahngeier ihre engen Kreise über den Maisfeldern. Sie stoßen hinab, steigen auf, kreisen eine Weile und tauchen wieder in das gelbe Meer ein – ein rastloses, scheinbar sinnloses Spiel.
     
    Sheriff Dent Hazen fummelte fluchend an den Knöpfen des Armaturenbretts herum, was aber nichts half: Er konnte die Hand noch so oft vor das Gebläse legen, es verströmte nur lauwarme Luft, und wenn er es stärker aufdrehte, spuckte es Staub. Er kurbelte das Seitenfenster herunter und schnippte seine Zigarettenkippe hinaus. Wenn nur diese verdammte Bullenhitze nicht gewesen wäre!
    Und da war noch etwas, was Hazen irritierte: die Truthahngeier, die unaufhörlich auf- und abstiegen, genau vor seiner Nase. Elende Mistviecher!, dachte er und hatte nicht übel Lust, ihnen mit der doppelläufigen Winchester eins überzubrennen.
    Er nahm den Fuß vom Gas und bog in einen der holprigen Feldwege ein, die wie ein Gitternetz Tausende Quadratmeilen Mais rings um Medicine Creek durchzogen. Als er mit dem Streifenwagen nicht mehr weiterkam, hielt er an und schaltete – eigentlich nur aus Gewohnheit – die kreisenden Dachlichter ein. Warum, zum Teufel, blieben die gottverdammtenGeier nicht auf dem Boden, wenn sie ein Stück Aas entdeckt hatten? Hazen beschloss, die Viecher für alle Fälle im Auge zu behalten.
    Jetzt ging’s bloß noch zu Fuß weiter. Er würde sich quer durch die ausgedörrten Maisstängel zwängen müssen, was das Ganze noch beschwerlicher machte; schon beim bloßen Gedanken daran wurde ihm flau im Magen. Einen Moment lang spielte er mit dem Gedanken, wieder in den Dienstwagen zu steigen und möglichst schnell in die Stadt zurückzukehren. Nur, dafür war es schon zu spät, er hatte den Anruf Wilma Lowrys schon ins Dienstbuch eingetragen. Die Alte hatte den lieben langen Tag nichts Besseres zu tun, als aus dem Fenster zu gaffen und dem Sheriffsbüro jedes verendete Stück Vieh zu melden. Aber es war für heute der letzte Anruf gewesen. Und wenn er’s recht
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