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Marillenknoedel und das Geheimnis des Gluecks

Marillenknoedel und das Geheimnis des Gluecks

Titel: Marillenknoedel und das Geheimnis des Gluecks
Autoren: Emma Sternberg
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wollte, nur noch Ja und Amen sagte. Und nach zwanzig Jahren Ehe hatte er vor lauter Krummmacherei tatsächlich einen Buckel! Weitere zwanzig Jahre später war er tot – wenn man mich fragt, ebenfalls aus Feigheit. Er hatte die Nase voll von seinem Sklavendasein, aber gleichzeitig Muffe vor einer Scheidung. Weißt Du, Sophie, seine Rückgratlosigkeit hätte ich ihm ja vielleicht noch verziehen, wenn er sich wenigstens bei der Erziehung seiner beiden Töchter einmal eingemischt hätte! Aber auch da ließ er Josephine das Sagen, dieser harmoniesüchtige Schwächling, und Du weißt, was am Ende dabei herausgekommen ist: Gisela und Marianne – Deine Mutter und ihre habgierige Schwester.
    Ich lege den Brief zur Seite. Es knackst im Kachelofen, und ich merke, wie warm es inzwischen in der Stube ist, deshalb ziehe ich den Kapuzenpulli aus und lege ihn mir über die Schultern. Ich bin mir, ehrlich gesagt, nicht ganz sicher, was ich von Tante Johannas, nun ja, doch eher offenen Worten halten soll. Ich meine, einerseits hat sie natürlich recht, klar. Die von-Hardenberg-Frauen sind allesamt scheinheilig, gemein und statusfixiert, und sie haben allesamt Männer geheiratet, die es zulassen, dass man sie herumkommandiert wie trottelige Esel. Aber andererseits liebe ich meinen Vater sehr, und dass Tante Johanna ihn als weichlichen Hampel darstellt, verletzt mich dann doch ein bisschen.
    Entschuldige, Sophie, genug damit. Wenn es um die von Hardenbergs geht, gerate ich immer noch so sehr in Rage, dass es mir auf den Kreislauf schlägt. Aber wenn man über die Toten nicht schlecht reden soll, dann sollte man das als Tote möglicherweise auch nicht über die Lebendigen tun. Und eine Ausnahme gab es ja im großen Familienelend. Den lieben Schorsch, meinen verstorbenen Mann. Erinnerst Du Dich noch an ihn? Er hat Dich so gern gehabt, Sophie, richtig vernarrt war er in Dich. Du warst ganz tief drin in seinem Herzen. Das ist übrigens ein weiterer Grund, warum ich den Gasthof Dir vererbt habe und nicht Deinen Cousinen, denn auf Schorschis Menschenkenntnis konnte man sich verlassen.
    Onkel Schorschi. Ich habe lange nicht an ihn gedacht. Tante Johanna ist damals wegen ihm nach Südtirol gezogen und war sehr glücklich mit ihm, wie sie immer sagte. Die beiden haben sich geschätzt und gemocht und geliebt, bis ihnen der Tod in die Quere kam. Er starb vor ein paar Jahren, was schrecklich war, vor allem für die arme Johanna. Aber es ist sonderbar: Manche Menschen bleiben bei einem, auch wenn sie längst nicht mehr auf dieser Erde sind, und manche Menschen nicht. Und während ich immer wieder an Tante Johanna denke, eigentlich fast jeden Tag, ist Onkel Schorschi für mich irgendwie in weite Ferne gerückt, wie jemand, den ich irgendwann einmal kannte und dann fast vollkommen vergessen habe. Aber jetzt, wo Tante Johanna ihn erwähnt, sehe ich ihn wieder ganz klar vor mir: seine blitzenden blauen Augen unter dem dicken, grauen Augenbrauengestrüpp. Seine wettergegerbte, ledrige Haut. Seine riesenhaften Weinbauernpranken, mit denen er mich als kleines Kind zur Begrüßung wieder und wieder in die Luft geworfen hat. Ja, er hat mich wohl sehr lieb gehabt. Bis jetzt habe ich darüber nie nachgedacht, aber nun sehe ich seine Zuneigung ganz klar vor mir, ungefähr so deutlich, wie ich manchmal ein Riesenschnitzel sehe, wenn ich hungrig bin.
    Ich glaube übrigens, dass nicht die Berge der Hauptgrund dafür waren, dass meine Familie so wütend wurde, als ich nach Südtirol zog. Es lag auch nicht daran, dass der Mann, den ich heiratete, ein Bauer war – obwohl das schon auch schlimm für sie war. Ich glaube, dass sie es vor allem nicht ertragen haben, dass ich einen Mann heiratete, der ihre Boshaftigkeit erkannte – und der nicht dazu bereit war, ihre Spielchen mitzuspielen. Weißt Du, die von Hardenbergs tun immer so, als sei ihnen die Familie so schrecklich wichtig. Aber in Wirklichkeit haben alle immer nur Angst, dass irgendjemand anfängt, aus der Reihe zu tanzen, und plötzlich nicht mehr das gelten könnte, was SIE für richtig halten. Aber auch deshalb war ich mir so sicher, dass Du den Gasthof übernehmen würdest: Du hattest schon immer Deinen eigenen Kopf, Sophie (und obendrauf natürlich Deine bezaubernden blonden Locken).
    Ich muss kichern, als ich Tante Johannas Worte lese. Meine Mutter hätte das damals nicht so positiv formuliert. Als ich beschloss, Tante Johannas Erbschaft anzunehmen und in die Berge zu ziehen, wurde ich für sie, na
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