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Marillenknoedel und das Geheimnis des Gluecks

Marillenknoedel und das Geheimnis des Gluecks

Titel: Marillenknoedel und das Geheimnis des Gluecks
Autoren: Emma Sternberg
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Eben.
    Überhaupt war dieses Jahr jede Menge anders als sonst. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich mehr Geschenke für meinen Schatz gekauft als für mich. Ich weiß auch nicht, aber irgendwie denke ich bei jedem T-Shirt, das ich sehe, schlagartig an ihn und bin deshalb fest davon überzeugt, dass er es haben muss, unbedingt, und der Gedanke lässt mir dann keine Ruhe mehr, bis ich es gekauft habe. Dasselbe gilt übrigens für Rotwein, Schokoladentrüffel und versilberte Feuerzeuge, und das, obwohl er gar nicht raucht – und aus Süßkram macht er sich erst recht nichts. Die einzige Süßspeise, bei der er eine Ausnahme macht, sind Marillenknödel. Die sind inzwischen sogar sein Leibgericht. Und auch dafür liebe ich ihn. Denn beim Marillenknödelkochen sind wir uns zum ersten Mal näher gekommen. Na ja, noch nicht ganz nah, aber zumindest hätten wir uns dabei um ein Haar zum ersten Mal geküsst. Ich kann immer noch ganz deutlich spüren, wie die Härchen auf seinem Unterarm damals ganz sanft die meinen streiften – Gänsehaut, nur bei der Vorstellung! Seither mache ich Marillenknödel, wenn es etwas zu feiern gibt – seinen Geburtstag, seinen Namenstag, den Valentinstag, den Weltlachtag oder einfach nur, dass ich ihn liebe. Da kann unser lieber Koch Gianni noch so meckern, dass meine Knödel nicht wie die von Tante Johanna schmecken – ihm schmecken sie ganz vorzüglich!
    Ich schlüpfe in den Pulli und sehe mich verschlafen im Zimmer um. Dabei fällt mein Blick auf die Fotos, die über der Waschkommode hängen. Sie stammen aus der Zeit, als Tante Johanna noch in diesem Zimmer gewohnt hat und nicht wir. Die meisten sind schwarz-weiß, nur das Bild von mir als kleinem Mädchen ist farbig – allerdings mit gewaltigem Siebzigerjahre-Farbstich. Das Bild hängt ein kleines bisschen schief, und als ich es gerade rücken will, fällt mir auf, dass irgendetwas dahinter feststeckt. Ich nehme es vom Nagel, drehe es um und entdecke ein zusammengefaltetes, braunes Stück Papier, das zwischen dem Bild und der Halterung klemmt, die das Foto fixiert.
    Komisch, denke ich und nehme das Papier heraus. Dabei bemerke ich, dass es gar kein Papier ist, sondern ein mit Luftpolsterfolie gefüttertes Kuvert, ungefähr in der Größe Din A6.
    Ich schiele vorsichtig in Richtung Bett, aber dort ist alles friedlich.
    Es ist ein Kuvert, auf dem mein Name steht: Sophie.
    Plötzlich spüre ich mein Herz klopfen.
    Ich gucke noch einmal Richtung Bett, dann drücke ich mir den Umschlag an die Brust, öffne so leise es geht die Tür und schleiche mich aus dem Zimmer. Auf Zehenspitzen tapse ich die Holztreppe hinunter ins Erdgeschoss, werfe einen Blick in die Küche, die noch kalt und verlassen ist. Ich gehe weiter in die Gaststube, mache das Licht an und blinzle einen Augenblick lang in die schummerige Helligkeit. Dann heize ich den Kachelofen an und setze mich auf den Platz in der Ecke, der früher Tante Johannas Lieblingsplatz war und jetzt meiner ist. Auch wenn unsere Männer sich bei jeder Gelegenheit darüber lustig gemacht haben: Wir hatten es temperaturtechnisch schon immer gern ein bisschen kuscheliger als andere.
    Ich betrachte den Umschlag noch einmal. Es steht immer noch mein Name darauf, in dieser altmodischen, aber doch selbstbewussten Handschrift, die mir so vertraut wie sonst nur meine eigene ist.
    Ich weiß ganz genau, von wem dieser Brief ist. Ich weiß nur nicht, warum ich ihn ausgerechnet jetzt finde, wo ich doch das ganze letzte Jahr hier oben in Alrein gewesen bin. Ich meine, wie oft habe ich die Bilder betrachtet, ohne dass mir etwas daran aufgefallen ist? Es ist fast so, als hätte ihn jetzt erst jemand dort versteckt, was aber nicht sein kann, denn außer Gianni sind nur wir beide hier, Schatz und ich.
    Ich betrachte den Brief von allen Seiten, als könnte er mir einen Hinweis geben. Aber es ist nur ein ganz normaler Umschlag aus Packpapier. Ich starre noch einen Augenblick länger darauf, dann, endlich, öffne ich ihn vorsichtig, als könne etwas Zerbrechliches darin stecken. Aber es ist nur ein mehrere Seiten langer, handgeschriebener Brief.
    Liebe Sophie!, lese ich. Dann blättere ich vor bis zur letzten Seite, und tatsächlich, da steht es: Deine Tante Johanna.
    Ich wusste es.
    Tante Johanna hat mir nach ihrem Tod letztes Jahr ihren Gasthof in den Südtiroler Bergen vererbt, den ich heute führe. Sie hat damit mein ganzes Leben umgekrempelt, und zwar vollständig. Ohne sie säße ich wahrscheinlich immer noch
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