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Marillenknoedel und das Geheimnis des Gluecks

Marillenknoedel und das Geheimnis des Gluecks

Titel: Marillenknoedel und das Geheimnis des Gluecks
Autoren: Emma Sternberg
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Ratgeber, den ich in meinem Leben gelesen habe, als Vorbereitung meines Vorstellungsgesprächs für das Praktikum bei Schwarz. Ich habe mich nie für Ratgeber interessiert und hätte mich nicht mal im Traum bei Schwarz beworben, wenn ich von irgendeinem literarischen Verlag eine positive Antwort bekommen hätte. Nicht, dass ich das meiner Mutter gegenüber zugeben würde, aber wahrscheinlich lag das tatsächlich an meinen Abschlussnoten: Auch ohne Ratgeberlektüre war ich immer überzeugt gewesen, dass man seine Studienzeit kreativ nutzen sollte, schließlich geht es bei der Sache ja vor allem auch um Persönlichkeitsentwicklung. Entsprechend sah dann leider mein Magisterzeugnis aus. Durchschnitt: 3,3.
    Oh Gott. Wenn ich mein Leben weiterhin Revue passieren lasse, fange ich noch an zu heulen. Ich muss irgendetwas tun, sonst artet das hier endgültig in eine Depression aus. Ja, genau, etwas tun – das ist gut, das ist doch das, was ich von meinen Eltern gelernt habe. Erst mal aufstehen. Es dauert ein paar Sekunden, bis ich ins Gleichgewicht gefunden habe, aber dann geht es, wer sagt’s denn. Ich hebe meinen Bademantel vom Fußboden auf, schlurfe ins Bad und klatsche mir kaltes Wasser ins Gesicht. Beim Blick in den Spiegel bemerke ich, dass die rechte Seite meines blonden Lockenkopfs ganz platt gelegen ist – als hätte ich die ganze Nacht wie ohnmächtig dagelegen. Ich versuche gar nicht erst, meinem Haar eine neue Form zu geben, sondern gehe in die Küche und mache mir einen schönen starken Kaffee. Er schmeckt scheußlich, aber was tut man nicht alles. Und immerhin, als ich die erste Tasse getrunken habe, fühle ich mich schlagartig zehn Jahre jünger – ungefähr wie neunundsiebzig statt neunundachtzig. Und eine gute Idee habe ich plötzlich auch. Ich gehe in den Flur und suche aus meinem traurigen Pappkarton ein Buch heraus, das ich noch als Volontärin betreut habe: Arbeitslos, na und? Kündigung als Chance.
    Na also.
    Wollen wir doch mal sehen, welche Chance darin liegt, kein Geld, keine Aufgabe und keinen Sozialstatus mehr zu haben. Ich weiß zwar, dass der Autor ein Universitätsprofessor und damit unkündbar ist und außerdem in seinem ganzen Leben nie weniger als ein sechsstelliges Jahresgehalt bezogen hat, aber was soll’s. Ich setze mich an den Küchentisch und schlage das Buch auf.
    Oh no.
    Das war ja mal wieder klar: ein Rechtschreibfehler, gleich auf der ersten Seite des Vorworts. Den muss ich übersehen haben. Statt »die Gelegenheit beim Schopfe packen« steht da: »backen«. Mist. Warum passiert das immer nur mir? Ich kann ein Buch zwanzigmal Korrektur lesen, und auf der ersten Seite ist ein Fehler. Manchmal vermute ich ja, dass die biestige Nadine aus der Herstellung die absichtlich reinmacht.
    Na ja. Inzwischen kann es mir ja egal sein. Ich blättere weiter zum ersten Kapitel.
    Mann. Warum klingelt das Telefon denn schon wieder, ausgerechnet jetzt, wo ich dabei bin, mein Leben wieder in die Hand zu nehmen? Ich stöhne wütend auf, rolle mit den Augen, dann denke ich, na gut, meinetwegen, geh ich eben dran. Ich meine, genau genommen gibt es doch eigentlich gar keinen Grund, meiner Mutter die Wahrheit zu sagen. Ich bin eine gute Lektorin, das haben mir schon so viele Leute gesagt. Ich werde mir einfach etwas Neues suchen und meinen Eltern dann sagen, dass ich ein besseres Angebot bekommen habe. Wahrscheinlich wäre das nicht einmal eine Lüge, weil mein Einkommen im Vergleich zu dem bei Schwarz ja eigentlich nur besser werden kann. Ja, das ist gut. So werde ich es machen.
    »Hardenberg?«, melde ich mich mit derselben supergehetzten Stimme, die ich im Büro immer aufgelegt habe, wenn das Telefondisplay die Nummer eines Autoren zeigte, dem ich eine Reaktion auf sein Manuskript schuldig war. Autoren fühlen sich ständig ungeliebt und denken immerzu, ihr Manuskript sei das einzige, für das man sich nicht interessiere, weshalb Lektoren immerzu so tun, als würden die Umstände sie zwingen, selbst Günther Grass sechs Monate auf eine Antwort warten zu lassen. Aber wie heißt es so schön in Lügen haben lange Beine – einfach besser aussehen mit kleinen Flunkereien: Menschen wollen belogen werden, zumindest manchmal.
    »Da bist du ja endlich, ich versuche schon seit Stunden, dich zu erreichen!«
    Darf ich vorstellen: meine Mutter. Sie hat sofort einen dermaßen anklagenden Unterton in der Stimme, dass ich meinen linken Daumen ganz fest umklammere, um ihr wirklich ganz sicher nicht versehentlich
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