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Marillenknoedel und das Geheimnis des Gluecks

Marillenknoedel und das Geheimnis des Gluecks

Titel: Marillenknoedel und das Geheimnis des Gluecks
Autoren: Emma Sternberg
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plötzlich eine Kraft im Raum, etwas, das mich bewegte, schüttelte, berührte.
    Leider machte Schorschi keinerlei Anstalten, mich auch nur einmal anzusehen. Ich stellte mich lächelnd vor, aber er brummte nur und fragte nach meiner Erfahrung. Er brummte noch mehr, als er hörte, woher ich kam und was ich vorher gemacht hatte, aber dann stellte er mich, noch einmal besonders widerwillig brummend, als Erntehelferin ein. Ich bekam einen Schlafplatz im Nebengebäude, ein handtuchbreites, niedriges Zimmer, in das gerade mal zwei Stühle und ein Stockbett passten, das ich mir zum Glück mit niemandem teilen musste. Ich legte mich auf die obere Matratze und lauschte meinem Atem, der rauschte, und meinem Herzen, das abwechselnd zu rasen und stehen zu bleiben schien.
    Am nächsten Morgen begann die Lese, oder das Wimmen, wie sie es hier im Eisacktal nannten. Als Hamburgerin kannte ich Trauben ja allenfalls aus Präsentkörben, aber ich lernte schnell, und so hoch waren die Anforderungen dann doch nicht. Nach einer Weile genoss ich sogar das Gefühl, etwas zu tun, bei dem einem hinterher der Rücken schmerzte – es fühlte sich so viel besser an als die Schreibarbeit im Kontor, und abends war man richtig schön müde und ausgeglichen. Na gut, was heißt ausgeglichen – wann immer ich konnte, suchte ich Schorschis Nähe. Er hatte riesige Hände, Pranken schon fast, doch die empfindlichen Reben ergriff er so sanft und vorsichtig wie zarte, flaumige Küken. Auch sein Gesicht schien grob, wie aus Holz geschnitzt, und doch war da so ein Blitzen in seinen Augen, irgendetwas unglaublich Gescheites, und eine Tiefe – eine Tiefe, wie man ihr nur bei Menschen begegnet, die das Leben nicht nur intellektuell, sondern vor allem auch emotional erfahren. Ach, wie hat mich sein Anblick berührt! Wie oft habe ich ihn bebobachtet, heimlich und aus dem Augenwinkel!
    Dass er mich immer noch nicht beachtete, störte mich komischerweise gar nicht sonderlich. Ich war so sicher, in diesen Mann verliebt zu sein, dass ich mir sicher war, er würde es früher oder später auch begreifen, dass wir füreinander gemacht waren.
    Na gut, das war gelogen. Ganz egal war es mir nicht. Eigentlich war sogar das Gegenteil der Fall. Je länger Schorsch Abstand zu mir hielt, desto stärker wurde in mir der Wunsch, ihn für mich zu gewinnen. Nur, wie sollte ich das tun?
    Komisch. Die Situation erinnert mich an etwas. Bei mir war es sogar noch schlimmer: Ich wollte unbedingt von einem Mann gemocht werden, der offensichtlich einzig und allein Verachtung für mich übrighatte, und je mehr ich mich bemühte, liebenswert zu sein, umso schlimmer machte ich das Ganze. Wie Tante Johanna ihn am Ende doch noch rumgekriegt hat? Das will ich natürlich unbedingt wissen – aber so langsam brauche ich jetzt doch mal einen Kaffee.
    Ich beschwere den Brief mit einem Stein und gehe hinein in die Küche. Als Gianni mich bemerkt, zuckt er erschreckt zusammen.
    »Jetzt könnte ich doch mal einen Kaffee gebrauchen«, sage ich freundlich. Gianni wird rot und nickt.
    »Gut«, sagt er, ohne sich zu rühren. »Icke bringe.«
    »Nein, kein Problem, ich warte hier!«
    »Signora Sophia«, sagt er, macht einen Schritt nach hinten und bläht den Brustkorb auf. »Piette. Icke bringe.«
    Komisch. Wie er so da steht, sieht er aus, als wolle er etwas hinter seinem Rücken verstecken.
    Ich mache einen Schritt auf ihn zu und versuche, über seine Schulter zu spähen, aber alles, was ich erkenne, ist eine große, runde Edelstahlschüssel.
    Er macht einen Schritt zur Seite, um mir die Sicht zu versperren.
    »Was hast du denn da?«, frage ich schließlich.
    »Nix!«, sagt er und steckt die Hände so in die Taschen, dass seine Ellbogen mir noch mehr die Sicht verstellen.
    »Icke bringe Kaffee, ja?«
    »Versteckst du etwas?«, frage ich.
    »No!«, ruft er und drückt sich gegen die Arbeitsplatte, auf der diese komische Schüssel steht.
    »Du versteckst doch etwas«, sage ich und gehe schnurstracks auf ihn zu.
    Er versucht, die Schüssel mit seinem Oberkörper zu schützen, aber leider ist Gianni nicht nur schüchtern, sondern manchmal auch tollpatschig. Die Schüssel kippt um, und plötzlich kullern Dutzende Marillen über die Fliesen.
    »Uberraschung«, sagt er mit trauriger Stimme und blickt zu Boden.
    »Gianni!«, sage ich, hebe eine auf und betrachte sie. »Wo hast du die denn her?«
    »Mercato Generale«, murmelt er beschämt.
    »Aber die gibt es doch erst im Juni!«
    Er guckt zu Boden und wird
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