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Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Titel: Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben
Autoren: Beate Sommer
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kannten, das wahrscheinlich nicht merkten. Hatte voll Angst, was falsch zu machen.
    Aber ihre Mutter war glücklich, widersprach sie ihrer eigenen Einschätzung. Wie auch immer das zusammengehen sollte. Sie konnte sich keinen Reim drauf machen, echt nicht. An Liebe glaubte sie jedenfalls nicht. Sie nicht. Darin waren Kathrin und sie sich einig. Zu vieles sprach dagegen.
    War das etwa Liebe gewesen zwischen ihren Eltern? Sie konnte sich gar nicht mehr richtig erinnern. Es war, als hätte ihr Vater, als er abgehauen war, auch die Erinnerungen mitgenommen. Was ja nun ziemlich unmöglich war. Wenn man jemanden liebte, haute man jedenfalls nicht einfach ab. Also war es keine Liebe gewesen. Oder keine mehr? Und war es überhaupt Liebe gewesen, wenn es keinen Bestand gehabt hatte? Warte mal, konnte es sein, dass es sich bei dem Brief um den Abschiedsbrief ihres Vaters handelte? Es stand nämlich kein Absender auf dem Umschlag, und eine Briefmarke gab es auch nicht. Darauf war sie gestern gar nicht gekommen. Da hatte sie sich bloß wie ein Dieb gefühlt und ein megaschlechtes Gewissen gehabt. Trotzdem konnte sie nicht sagen, was sie davon abgehalten hatte, ihn zu lesen. Da war nur so ein Gefühl gewesen, dass es besser wäre, nicht allein zu sein, wenn sie es tat. Und ihre Mutter kam als Beistand nicht in Frage, denn sie war es ja wohl, die ihn versteckt hatte. Dann also heute Abend, bei Kathrin, nahm sie sich vor. Hoffentlich waren die Brüder unterwegs und ließen sie in Ruhe.
    * * *
    »Wenn du nicht mitfahren willst, solltest du jetzt besser aussteigen«, mahnte Arne und schob Marilene von sich.
    »Recht hast du.« Sie wuschelte ihm kurz durchs Haar, was er zwar mit einem indignierten Augenaufschlag bedachte, aber noch ließ er sie gewähren. Bald schon würde er sich für entschieden zu groß für Zärtlichkeiten vor Zeugen halten, nahm sie an und war froh um den Aufschub. »Also bitte pass auf dich auf«, sie senkte die Stimme, um ihn nicht in noch größere Verlegenheit zu bringen, »und ruf mich an, sobald du in Koblenz im Zug sitzt, ja?«
    »Das hatten wir doch schon. Ich vergesse nie etwas.« Er stemmte entrüstet die Hände in die Hüften.
    Das stimmte wohl, setzte aber voraus, dass er ihr auch zugehört hatte, anstatt auf Durchzug zu schalten, durchaus normal für einen Jungen seines Alters, wenn es Ermahnungen hagelte, vermutete sie. »Ja, ja, ich weiß«, wiegelte sie ab, »ich geh ja schon.« Es mangelte ihr eindeutig an Gelassenheit im Umgang mit ihm, aber das war vielleicht auch nicht so verwunderlich angesichts all dessen, was er schon durchgemacht hatte. Sie stolperte rückwärts, hob andeutungsweise die Hand zu einem verstohlenen letzten Winken und sprang die Stufen hinab. »Schön, dass du da warst!«, rief sie ihm über die Schulter zu.
    »Ich komm wieder, keine Frage!«, tönte es hinter ihr, und schon knallten die Türen des Zuges zu.
    Wo kam jetzt der Satz her? Sie kicherte und wagte nun doch, sich umzudrehen, um dem rasch schneller werdenden Zug hinterherzuschauen, beidarmig winkend. Erst als der Zug außer Sichtweite war, ließ sie die Arme wieder sinken. Hoffentlich kam er gut an, gewann ihre Besorgnis abermals die Oberhand. Den Begleitservice der Bahnhofsmission hatte Arne rundweg verweigert, nun wünschte sie, sie hätte sich durchgesetzt. Da allerdings nicht mal seine Großmutter auf dieser Sicherheitsmaßnahme bestanden hatte, war ihr gar nichts anderes übrig geblieben, als nachzugeben. Okay, er war reif für sein Alter und sehr selbstständig, absolut nicht auf den Mund gefallen, er hatte ein Handy dabei, der Akku war aufgeladen, es gab keinen Grund, sich verrückt zu machen. Außerdem hatte er einen Platz an einem Vierertisch, und wie sie ihn kannte, würde er in Nullkommanichts die ältere Dame ihm gegenüber in ausufernde Gespräche verwickeln, bis diese entweder den Platz wechselte oder anbot, den Jungen zu adoptieren. Sie wäre gern als Mäuschen dabei.
    Marilene mied das Gewimmel in der kleinen Bahnhofshalle und verließ das Gelände über den Fahrradparkplatz. Sie warf einen Blick auf ihre Uhr und legte einen Schritt zu. Um drei hatte sie einen Termin wegen einer Sorgerechtssache, die zu eskalieren drohte, was sie noch zu verhindern hoffte. Man sollte meinen, dass den Eltern an einer gütlichen Einigung gelegen war, aber die bekämpften sich derart, dass es sie nicht wundern würde, wenn ihr Kind einen bleibenden seelischen Schaden davontrug.
    Der Fall setzte ihr zu, ohne dass sie den
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