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Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben

Titel: Marilene-Mueller 04 - Wenn Ostfriesen sterben
Autoren: Beate Sommer
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davon abgesehen, dass sie vermutete, er müsste überhaupt nicht arbeiten, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, konnte sie nicht nachvollziehen, wieso er seine Kanzlei aufgab, um sich in ein mittleres, finanziell betrachtet sogar ein größeres Abenteuer zu stürzen. Vom mondänen Wiesbaden, das mit Zerstreuungen wie Kasino und Oper lockte, in die Provinz. Das passte nicht zu ihm, jedenfalls soweit sie das beurteilen konnte.
    Sie erreichte die Bergmannstraße. Ein Radfahrer zischte von hinten an ihr vorbei, streifte sie am Arm, leicht zwar, trotzdem wäre sie beinahe gestürzt. »Depp!«, schimpfte sie, »auf der falschen Seite unterwegs und dann nicht mal klingeln!« Oder hatte sie ihn überhört? Sie erinnerte sich an ihren ersten Besuch hier, als sie sich um die Kanzleinachfolge beworben hatte. Auch damals war sie fast gestürzt. Und auch damals war ein Radfahrer in einem Affenzahn an ihr vorbeigesaust. Und damals war weiter vorn jemand gestürzt, der sie an Lothar erinnert hatte. Er hatte sie ganz schön hinters Licht geführt, war erst in Erscheinung getreten, als sie die ganze Sache nicht mehr hatte platzen lassen wollen.
    Gut, sie konnte ihm das nicht mal verdenken. Ihm musste bewusst gewesen sein, dass sie sich auf eine derartige Verquickung von Beruf und Privatleben niemals eingelassen hätte, dafür war ihr ihre Unabhängigkeit viel zu wichtig geworden. Nun würden sie nicht nur eine gemeinsame Kanzlei betreiben, sondern auch noch im selben Haus wohnen. Alles unter einem Dach. Hoffentlich würde das glattgehen. Zwar hatte sie klargestellt, dass ihre künftige Verbindung rein beruflicher Natur wäre, »selbstverständlich«, hatte er zugestimmt, aber sie zweifelte dennoch an seinen Absichten. Und, wenn sie ganz ehrlich war, an ihrer eigenen Standfestigkeit ebenso.
    Sie seufzte. Er war schon ein Bild von einem Mann. Natürlich sprach genau dieser Umstand am meisten gegen eine Beziehung zwischen ihnen. Sie hörte im Geiste schon das Getuschel: Wie hat die Alte den bloß rumgekriegt? Was findet der nur an ihr? Ob sie Geld hat? Nein, so etwas würde sie sich nicht antun.
    Sie fragte sich, ob er darunter litt, dass er auf blond und schön reduziert wurde. Okay, Leiden war nichts, was man mit ihm in Verbindung bringen würde, Lothar hatte ein hochgradig sonniges Gemüt, nach außen hin wenigstens, trotzdem musste diese beschränkte Wahrnehmung verletzend sein. Oder war das ein Frauending? War Schönheit für Männer mit Grips nicht so ein Handicap wie für Frauen? Jens Hartmann, der Wiesbadener Kommissar, mit dem sie oft zu tun gehabt hatte, und keineswegs nur beruflich, hatte Lothar als Schönling tituliert, und der hatte das gewusst, nur war es anscheinend an ihm abgeprallt. Einerlei, Ende Dezember würde er endgültig hierherziehen, und dann würde sich herausstellen, wie sie klarkämen. Jetzt gab es keinen Grund, sich über seinen Seelenzustand den Kopf zu zerbrechen.
    Sie erreichte das Haus, das so schnell zu einem Zuhause für sie geworden war, wie Arne zu ihrem Erstaunen angemerkt hatte, und sprintete die Stufen hinauf zu ihrer Wohnung für eine halbe Zigarette vor ihrem Termin. Sie schloss die Tür auf und hielt inne. Schnupperte. Da war wieder dieser seltsame Geruch, der ihr schon ein paarmal aufgefallen war, jedoch nie so intensiv wie heute. Nach Karamellbonbons? Sie zweifelte an ihrer Wahrnehmung. Sie aß so etwas nicht, schon allein wegen der Zähne. Arne vielleicht? Nein, das wäre ihr aufgefallen. In der vergangenen Woche hatte sie es nicht gerochen. Das war vorher gewesen. Nicht so oft, dass es sie beunruhigt hätte, und auch stets nur schwach, sodass es ihr leichtgefallen war, als Einbildung abzutun, was sie nun doch irritierte.
    Sie ging ins Wohnzimmer, öffnete das große, zum Garten zeigende Fenster und zündete sich eine Zigarette an. Wie in ihrer alten Kanzlei, überlegte sie, dort hatte sie gegen den hartnäckigen Geruch von Räucherstäbchen anstinken müssen, den sie trotzdem nie ganz losgeworden war. Immerhin hatte sie den Ursprung des Geruchs gekannt. Es war kaum vorstellbar, dass hier hinter irgendeiner Wand ein paar Bonbons ihrem Ende entgegengammelten. Die würden eher vertrocknen, vermutete sie, und eben nicht riechen. Aber nun würde sie der Sache auf den Grund gehen, sich nicht wieder einreden, dass sie spann, und kein Vergessen zulassen. Nur wie? Sie konnte ja nicht gut die Wände einreißen. Ein Hund musste her, das war es, ein Suchhund. Vielleicht hatte Renate Heeren, ihre
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