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Maria sucht Josef - Eine weihnachtliche Liebesgeschichte

Maria sucht Josef - Eine weihnachtliche Liebesgeschichte

Titel: Maria sucht Josef - Eine weihnachtliche Liebesgeschichte
Autoren: Nicole Joens
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durch.
    »Dieses Stück, das Sie da interpretiert haben, wurde über die Jahre schon überaus erfolgreich vermarktet. Terence Texas, Detroit, 1982, hat am meisten Platten damit verkauft, um Ihnen nur ein Beispiel zu nennen. Das Stück selbst ist zurzeit auch mit mindestens drei Interpreten auf YouTube vertreten. Aber die Originalkomposition gehört einem gewissen Roger Bembé aus New Orleans, so um 1963 herum, wenn ich mich nicht irre. Das wissen Sie aber sicherlich selber …?«
    »Na, Ihr Wissen ist aber ziemlich beeindruckend! Sie sind wohl auch vom Fach?«
    Seine Stimme klingt belustigt. Keine Spur von gekränktem Ego, sondern nur der gelassene Humor eines Wissenden. Der Cowboy ist gerade eben in Miriams Augen weit über seinen Geruch hinausgewachsen. Sie gibt das Lächeln im Rückspiegel zurück.
    »Ich arbeite in der Musikbranche und habe mir mit eigenen Kompositionen schon mehr als eine Ohrfeige abgeholt. Sie haben meinen ganzen Respekt … Ich meine, in der heutigen Zeit mit einer rein instrumentalen Männerband an den Start zu gehen ist ziemlich mutig.«
    Der Cowboy antwortet nicht, aber Miriam hat das Gefühl, dass ihr letzter Satz ihm nicht gefallen hat. Die Falte an seinen Mundwinkeln ist ein wenig tiefer geworden, und die netten Grübchen sind fast völlig verschwunden.
    Als das Taxi durch das weihnachtlich geschmückte Erding schaukelt und vor der Hebammenpraxis hält, ist trotz Miriams Kritik so etwas wie ein Hauch erster Zuneigung zwischen dem Cowboy und der Verzweifelten entstanden. Unschlüssig, ob sie es wagen soll, dem Cowboy jetzt reinen Wein über ihre Situation einzuschenken, bleibt Miriam einen Moment länger als nötig im Wagen. Es kommen bereits die ersten Paare zur Geburtsvorbereitung. Und es hat begonnen, ein wenig zu schneien. Zögernd beginnt sie zu sprechen.
    »Ich muss Ihnen etwas sagen …«
    »Musst du nicht! Du musst jetzt aussteigen! Sonst kommst du zu spät! Wir holen dich dann später wieder ab, ja?«
    Bene sieht Miriam warnend an. Aber der Cowboy hat den Ernst in ihrer Stimme bereits wahrgenommen.
    »Is noch was unklar?«
    Miriam schüttelt den Kopf mit verkrampftem Lächeln. Bene hat ja recht. Der Cowboy würde auf der Stelle ausrasten, wenn er wüsste, dass sie gerade mal achtzig Cent in ihrer Geldbörse hat. Sie darf ihm keinesfalls die Wahrheit sagen. Also gehen sie die entscheidenden Eckpunkte ihrer Planung für die nächsten neunzig Minuten noch einmal kurz durch. Der Cowboy namens Joe, wie Bene den Taxifahrer bereits nennen darf, wird die Kinder jetzt nach Haidhausen fahren. Dort wird Anna-Sophie im Kindergarten ihr Krippenspiel einüben. Bene kann ein bisschen mithelfen beim Dekorieren. Danach wird Joe mit den Kindern wieder nach Erding kommen, um Miriam an der Hebammenpraxis abzuholen und die Familie nach Hause zu fahren, also wieder zurück nach Haidhausen. Das wird dann, alles in allem, ungefähr zweihundert Euro kosten. Auf diesen Preis haben sie sich im Vorfeld geeinigt, damit Miriams Mann nicht die Vollkrise bekommt, wenn sie ihn heute Abend auf seiner Bohrinsel in der Nordsee anruft. Wie genau jetzt die Bohrinsel in der Nordsee und der Geigenbauer aus Georgien zusammenpassen, hat der Cowboy nicht so ganz verstanden. Aber heutzutage sind viele Familien bunt zusammengewürfelt. Er hält Miriam für die Mutter von Bene und Anna-Sophie. In diesem Glauben muss Miriam ihn lassen. Die Geschichte mit dem Vater auf der Bohrinsel hat sich bereits mehrmals als praktisch erwiesen, und Bene und Anna-Sophie mögen sie auch. Es ist ein schöner Gedanke, dass so ein Papa auf einer Bohrinsel in der Nordsee zu Weihnachten nach Hause kommt. Viel besser als der Bleisarg, das technisch perfekte Krematorium und die geschmackvolle Urne, auf der Wassilis Name mit nur einem S geschrieben war. Darüber ärgert sich Miriam immer noch. Sie beginnt ihren enormen Bauch aus dem Taxi zu schieben. Beim Aussteigen bleibt die Sohle ihres billigen Schneestiefels aus der Kleidersammlung an der Autotür hängen. Das Gummi gibt ein fieses »Plopp« von sich und klafft so weit auf, dass Miriam ihren Fuß sehr hoch heben muss, um im Schnee nicht zu stolpern. Wie ein Reiher mit einem Heißluftballon um die Mitte stapft Miriam über den rutschigen Neuschnee zu den anderen Paaren am Eingang des kleinen Hexenhäuschens, in dem eine Hebamme mit Herz warten soll. Doch da ist er schon bei ihr, ihr Cowboy.
    »Moment!«
    In einer Bewegung, zu schön, um wahr zu sein, geht der Cowboy vor Miriam in die Knie. Er
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