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Maria, ihm schmeckts nicht!

Maria, ihm schmeckts nicht!

Titel: Maria, ihm schmeckts nicht!
Autoren: Jan Weiler
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nicht ge-
    sehen? Ist doch groß genug, oder?«
    Kurz bevor ich verhaftet werde, kommt Sara mit
    den Einkäufen angelaufen. Unter dem Arm hält sie
    ein aufgeblasenes Krokodil.
    »Was ist denn hier los?«
    »Ich habe ihnen lang und breit geschildert, was
    Sache ist, und die lachen alle. Außer der da. Mit dem da ist nicht zu spaßen.«
    Sara entschuldigt sich für mich bei dem carabiniere und bringt auch die Angelegenheit mit der Frau ins Reine. Jeder zahlt seinen Schaden selbst, also ich meinen und sie den ihren bestimmt nicht. Wir fahren nach Hause. Ich fühle mich gedemütigt. Außerdem
    ist die Möse an meinem Auto kaputt.
    Zum Trost erzählt mir Maria eine hübsche Ge-
    schichte.
    Sie hat nämlich eine Kollegin und diese ist mit ei-
    nem evangelischen Geistlichen aus Deutschland, also einem deutschen Pastor, liiert. Einmal wollte diese Kollegin Tante Maria besuchen und fragte, ob sie ich-ren deutschen Pastor mitbringen dürfe. Maria hatte
    nichts dagegen und schlug vor, man könne ihn ja während des Essens ins Badezimmer sperren. Die Kolle-
    gin war darüber so beleidigt, dass sie es sich anders überlegte und die Verabredung absagte. Viel später
    stellte sich heraus, dass Maria angenommen hatte, es handele sich bei dem deutschen Pastor um einen
    deutschen Schäferhund, den man in Italien auch
    pastore nennt.

    Nachdem ich mein Krokodil eingeweiht habe,
    verläuft der Urlaub sehr ruhig. Man akzeptiert meine absurde deutsche Marotte, den halben Tag hindurch
    zu lesen. Manchmal kaufe ich auch italienische Zeit-schriften, vor allem wegen der tollen Beigaben. Wir besitzen jetzt zum Beispiel zwei ausgezeichnete
    Tomatenmesser, die in einem halbpomografischen
    Magazin gemeinsam mit einem Schneidebrett aus
    Plastik eingeschweißt waren.
    Abends spielen wir bei Wein mit Limo oder einem
    Gläschen Bier sehr harmlose Spiele, die keine Regeln haben und darauf hinauslaufen, dass einfach alle
    durcheinander schreien und dabei lachen. Oder wir
    gehen mit Marco und Pati aus. Auf dem corso be-gegnen wir den stets gleichen Jugendlichen, deren
    männliche Vertreter laufen, als hätten sie entzündete Hoden. Als ich versuche, das nachzumachen, bremst
    mich Marco, denn obwohl die Italiener viel Spaß verstehen, schätzen sie keinen Spott sexuellen Inhalts.
    Da können selbst kleine Männer zu einer großen
    Bedrohung werden.
    Tagsüber, am Strand, pflege ich den Nimbus des
    Sonderlings nicht nur dadurch, dass ich mich gewis-
    senhaft eincreme und lese, sondern ganz besonders
    auch durch meine strikte Weigerung, tiefer als bis zu den Hüften ins Wasser zu gehen. Ich kann nämlich
    nicht schwimmen. Das finden die anderen bemitlei-
    denswert. Dabei ist daran nichts bedauerlich, im Gegenteil: Ich liebe es, ein Nichtschwimmer zu sein.
    Und ich bin ja nicht der einzige Nichtschwimmer der Welt. In Wahrheit kann nämlich kein Mensch wirklich schwimmen.
    Goldfische schwimmen und Seepferdchen und
    Pottwale. Jedes Tier, das im Wasser lebt, sieht beim Schwimmen schöner und eleganter aus als der
    Mensch. Meeresbewohner müssen auch gar nicht
    erst lernen zu schwimmen, sie können es ganz ein-
    fach, während Menschen es mühsam einüben müssen.
    Das Schwimmenlernen ist eine Qual, die ich seit
    meiner Kindheit immer wieder aufs Neue erdulden
    muss.

    In der vierten Klasse kam der Schuldirektor und
    fragte, ob irgendjemand nicht schwimmen könne.
    Ich meldete mich und er zeigte auf mich und sagte:
    »Waaas? Du kannst nicht schwimmen? Das musst du aber lernen, bis du aufs Gymnasium kommst. Da
    müssen alle schwimmen.«
    Also steckten mich meine Eltern in Schwimmkur-
    se. Ich habe sie nicht gezählt. Zwei Mal die Woche
    brachte mich meine Mutter in düstere Hallenbäder,
    wo ich mich ausziehen und alberne Übungen machen
    musste. Einer meiner ersten Schwimmlehrer war
    eine uralte Frau. Sie trug beim Schwimmen eine Ba-
    dekappe, die wie ein Eisbergsalat aussah, und erin-
    nerte mich in ihrem Badeanzug immer an das Mi-
    chelin-Männchen. Ich sollte mich im Wasser auf ihre Hand legen und so tun, als sei ich ein Frosch. »Los, sei ein Frosch«, sagte sie zu mir. Schwimmen habe ich dabei nicht gelernt, nicht einmal quaken. Ich werde es auch nie lernen. Ich kapiere nämlich nicht, wie man beim Schwimmen atmet. Ich kann nur atmen, wie ich
    es gelernt habe, nämlich wann ich will. Wenn ich
    beim Schwimmen atmen will, ist mein Kopf leider
    immer unter Wasser und es wird nichts mit dem
    Atmen. Ich habe nun mal keine Kiemen und auch
    keine
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