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Maria, ihm schmeckts nicht!

Maria, ihm schmeckts nicht!

Titel: Maria, ihm schmeckts nicht!
Autoren: Jan Weiler
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dies
    der beste Zeitpunkt ist, unser wertbeständiges Automobil ins Gespräch zu bringen, das draußen auf dem
    Parkplatz steht. Kleinschmid ändert nach einem
    kurzen Rundgang um Antonios Karre seine Haltung
    zum Thema Wertbeständigkeit und jammert über
    den brachliegenden Gebrauchtwagenmarkt und die
    schlechten Zeiten.
    »Es gibt keine schlechten Zeiten, nur schlechte
    Verkäufer,« wende ich ein, und Kleinschmid wünscht
    mich zum Teufel. Zurück an seinem Schreibtisch
    macht er sein letztes Angebot: 34 000 und Antonios
    Auto. Meinem Schwiegervater verschlägt es die
    Sprache. Kleinschmid lässt sich nicht lumpen und
    schenkt Antonio einen Satz Fußmatten mit Merce-
    des-Stern.
    Toni zahlt den Wagen nicht an, er bezahlt ihn kom-
    plett. In bar. In acht Wochen kann er ihn abholen,
    Herr Kieinschmid verspricht, ihn persönlich zu
    übergeben, was ich eher als Drohung auffasse.
    Auf dem Heimweg sagt mein kleiner Schwiegerva-
    ter kein Wort. Er hat den Sack nicht zu gemacht. Er hat nicht gehandelt. Er hat seinen Preis gezahlt, wie immer. Aber der Preis, den er da gezahlt hat, war
    kein Geld, das Geld spielt gar keine Rolle. Der Preis, den er in Wahrheit für sein Auto bezahlt hat, ist die Demütigung durch den Mann mit den Goldknöpfen.
    Ich sehe aus dem Seitenfenster und wünsche mich
    in eine bessere Welt. Da tippt Antonio mich an. Ich drehe meinen Kopf nach links und sehe in sein la-chendes Gesicht. Im Getränkehalter steht ein scheuß-
    licher Kaffeebecher in Golfsackform.

Dreizehn
    Ich löse eine Ehekrise aus, als ich kundtue, dass ich gerne mal in den Ferien nach Griechenland fahren
    würde.
    »Was sollen wir denn in Griechenland?«, pikiert
    sich meine Gattin, als hätte ich ihr vorgeschlagen, einen Erlebnisurlaub in einem Termitenhügel zu ma-
    chen.
    »Och, ich dachte bloß. Da ist es doch auch schön.
    Und die Betten sollen gut sein.«
    »Wo hast du denn das her?«, fragt sie mich miss-
    trauisch.
    »Das habe ich gelesen«, gebe ich trotzig zurück.
    Also fahren wir nach Italien, mein Rücken spielt
    nun einmal in unserer Ehe eine untergeordnete Rol-
    le. Außerdem hat mein Schwiegervater, der Gute, in
    Termoli dasselbe Haus wie vor zwei Jahren gebucht,
    es hat uns allen ja sehr dort gefallen. Um Mitfahrer einzusammeln und die Oma zu besuchen – es könnte
    ja das letzte Mal sein, wie Antonio in dramatischem Crescendo betont –, steuern wir zunächst mal wieder Campobasso an.
    Nonna Anna ist zumindest so gut bei Gesundheit,
    dass sie es beinahe schafft, mir die Wange zur Begrü-
    ßung abzureißen. Marco ist inzwischen von dem
    Schlangentrip etwas abgekommen und stellt uns sei-
    ne neue Freundin vor, ein bildschönes Mädchen, das
    auf mich allerdings nicht volljährig wirkt. Wir laden unser Gepäck bei ihm ab und gehen wieder zu Nonna Anna, weil dort gegessen wird. Es ist ein heißer Abend und über dem Tisch fliegen arme Insekten mit
    verzweifeltem Knistern in ein Mückenkrematorium.
    Der Fernseher läuft, denn gleich kommt La Spe-
    ranza und Nonna darf keinesfalls versäumen, wie der brutale Gutsbesitzer den Landvermesser zur
    Rede stellt, weil dieser seiner Tochter in ungebührlicher Weise nachsteigt. Vor diesem Schocker kommen
    aber zunächst die Nachrichten, die hier niemanden
    vom Stuhl hauen. Interessanterweise lässt meine Fa-
    milie die Weltpolitik total kalt. Egidios Kommentar zu den im Fernsehen ausgestrahlten Bemühungen
    von Jacques Chirac um eine erfolgreiche französische Außenpolitik besteht aus genau zwei Wörtern:
    »Schicke Krawatte.«
    Man kann diesen Umgang mit den Nachrichten
    auch ignorant nennen, doch das trifft es nur zum
    Teil, denn die regionale Berichterstattung wird leidenschaftlich verfolgt, etwa wenn die Ergebnisse
    eines neapolitanischen Pizzateigkunstvolldurchdie-
    gegendwirbelwettbewerbes bekannt gegeben werden.
    Aber auch Lokalpolitisches erregt die Marcipanes
    mitunter aufs heftigste. Die Gegend ist in letzter Zeit von Erdbeben und Überschwemmungen heimgesucht
    worden und wie so oft haben sich die Behörden beim
    Katastrophenmanagement nicht mit Ruhm bekle-
    ckert. Als in einem Nachbarort von Campobasso
    zwei Dutzend Kinder unter dem Schutt ihrer Schule
    begraben wurden, konnten die eingesetzten Bagger
    und Räumgeräte nicht rechtzeitig am Unfallort sein, weil sie auf halber Strecke stehen blieben. Jemand
    hatte den Diesel aus den Tanks geklaut. Solche
    schlimmen Unzulänglichkeiten lassen die Italiener
    an ihrer eigenen Wesensart verzweifeln. Nun soll der
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