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Maria, ihm schmeckts nicht!

Maria, ihm schmeckts nicht!

Titel: Maria, ihm schmeckts nicht!
Autoren: Jan Weiler
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werde, dann doch nur um des
    Effektes willen, denn für wahren Zorn sei er ei-
    gentlich zu ignorant. Nichts interessiere ihn so sehr, dass es ihn wirklich aufregen könne. Dann fügte sie noch hinzu, dass es eigentlich nur eine Gefahr gebe, und die trete ein, wenn er nichts mehr sage, stumm
    bliebe. Je nach Dauer des Schweigens könne man
    sich dann auf Ärger einstellen, mitunter auf großen Ärger.
    Kompliziert, dachte ich und fragte: »Und was ist
    mit deiner Mutter?«
    Bisher weiß ich nur, dass Saras Mutter Ursula
    heißt, aus dem Rheinland kommt und die Geduld ei-

    nes belgischen Brauereipferdes besitzt. Auf einem
    Jugendbild, das auf Saras Schreibtisch steht, ähnelt Ursula ihrer Tochter: sehr schmaler Mund, kleine
    Nase, viele Sommersprossen drum herum. Ihre Au-
    gen und die blonden, eigentlich unitalienischen Haa-re muss Sara aber von ihrem Vater haben. »Meine
    Mutter ist das komplette Gegenteil von Papa«, sagte sie. »Ich habe echt keinen Schimmer, wie die das Gequassel aushält, aber immerhin sind die beiden schon knapp fünfunddreißig Jahre zusammen. Irgendwie
    muss es also funktionieren.«
    Als wir das Auto parkten, hatte ich ein mulmiges
    Gefühl. Was, wenn er mich nicht mag? Wenn er mir
    den kleinen Finger nach alter italienischer Väter Sitte abschneidet und ihn in einem mit bitterem Man-
    delduft parfümierten Briefumschlag meinen Eltern
    schickt, um diese zum Wohle eines landsmannschaft-
    lichen Vereins zu erpressen? Wenn ich dann also in
    einem niederrheinischen Reihenhauskeller verblutend auf Nachricht warte und oben meine dann ja wohl
    Exfreundin mit den Kumpanen ihres Vaters heiser
    lachen höre? Meine Sorgen scheinen etwas über-
    trieben und speisen sich aus einer sehr exakten Un-
    kenntnis des italienischen Wesens.
    Eigentlich habe ich es bisher nur mit drei Ita-
    lienern wirklich zu tun gehabt, wenn man mal die
    Kellner in Pizzerien und Hotelangestellten in den
    Dolomiten beiseite lässt, zu denen ich im Laufe
    meines Lebens zwar Kontakt, aber kein irgendwie
    geartetes Verhältnis hatte. Doch ich kenne auch nur zwei Franzosen und drei Engländer sowie eine Spa-nierin, einen Sachsen und überhaupt keinen Dänen.
    Insofern ist drei schon wieder viel.
    Der Name des ersten Italieners ist mir bis heute
    unbekannt. Er verkaufte Eis und schenkte mir im
    Siegestaumel nach dem Endspiel der Fußballwelt-
    meisterschaft 1982 eine Portion mit drei Kugeln. So viele Tore hatten die Italiener damals in Madrid
    gegen die Deutschen erzielt. Alle Tore fielen in der zweiten Halbzeit durch Rossi, Tardelli und Altobelli.
    Paul Breitner schoss auch noch eines für die schwa-
    chen Deutschen, dann waren die Italiener Welt-
    meister und knapp zehn Minuten später bimmelte
    der Eismann.
    Ich war sein Stammkunde. Im Sommer wartete ich
    täglich auf das Klingeln seines Eiswagens, mit dem
    er langsam durch unsere Siedlung fuhr. Dann sprang
    ich auf mein Fahrrad und jagte der Glocke nach, bis ich ihn endlich einholte und zum Anhalten zwang.
    Ich bestellte Banane und Vanille, manchmal Heidel-
    beere, der blauen Zunge wegen, und er bediente
    mich in betont geschäftsmäßiger Manier, als sei ich ein Rothschild. Unsere Konversation beschränkte
    sich auf das Nötigste, und deshalb kann ich nicht mit Gewissheit sagen, ob er nicht am Ende gar kein
    Italiener war, sondern vielleicht Zypriote mit portu-giesischem Pass oder Türke oder Kroate. Da er nun
    aber in einem mit einer italienischen Fahne bemalten Kleinbus unterwegs war, liegt die Vermutung zumindest nahe, dass er tatsächlich aus Cortina in den Dolomiten war, wo das italienische Eis herkommt.
    Der zweite Italiener, mit dem ich mehr als eine
    flüchtige Erinnerung verbinde, war Masseur. Signor
    Pantoni hatte stark behaarte Arme und roch nach
    Zitronenöl. Ich wurde zu ihm überwiesen, weil ich
    im Nackenwirbelbereich irgendwie unlocker und
    kaum den Kopf zu wenden in der Lage war. Signor
    Pantoni nahm meinen Schädel in die Hand, sah mir
    in die Augen und sagte: »Mal sehn wie iste
    Blockierung.« Dann drehte er meinen Kopf so lange
    gegen den Uhrzeigersinn, bis es gar nicht mehr
    wehtat. Dabei brummte er Lieder, deren Melodie er
    immer genau dann betonte, wenn er mir besonders
    zusetzte.
    Er bearbeitete meine Schulter und den Rücken mit
    seinen Riesenhänden, und einmal sagte ich im Spaß:
    »Sie sollten Pizzateig kneten.«
    Signor Pantoni grunzte unverständlich und klatsch-
    te dann in die Hände. »So, fertig, nächste Woche
    komme Sie wieder und mache wir
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