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Maria, ihm schmeckts nicht!

Maria, ihm schmeckts nicht!

Titel: Maria, ihm schmeckts nicht!
Autoren: Jan Weiler
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gemütlich neben
    dem Becken entlangspazieren und sie anfeuern.
    Dem Argument kann sich Marco nicht verschlie-
    ßen. Er nickt anerkennend. Und ich lege nach, denn
    Wassersportarten sind ohnehin seltsam. Synchron-
    schwimmen zum Beispiel oder Wasserball. Die einzi-
    gen Wassersportarten, die etwas hermachen, sind
    Surfen und Wasserski. Und die betreibt man nicht im Wasser, sondern auf dem Wasser. Nicht mal fürs Turmspringen braucht man unbedingt Wasser. Denn
    hier kommt es darauf an, was in der Luft passiert.
    Von mir aus müssen die nicht ins Wasser springen,
    man könnte doch so einen Pool auch mal mit
    Apfelmus füllen oder mit Gänsefedern.
    Ich glaube, Marco hält mich für einen Außenseiter.
    Er hat Mitleid mit mir, dabei bin ich in meinem Be-
    kanntenkreis ein gern gesehener Begleiter. Und zwar gerade, weil ich nicht gern ins Wasser gehe. Ich eigne mich ausgezeichnet für die Bewachung von mp3-Playern und Sonnenbrillen, schaue anderen dabei zu, wie sie sich im Wasser zum Affen machen, und rufe
    nach Bademeistern oder Ärzten, wenn ich glaube, ei-
    nen Badeunfall zu sehen. Das geschieht oft, weil ich nämlich nicht unterscheiden kann zwischen einem
    Kopfsprung und einem Selbstmordversuch.
    Nach einer Woche gibt Marco endgültig auf, und
    ich füge mich in mein Schicksal, von ihm als sehr
    netter, aber leider in der Seele ganz kranker Schwager rücksichtsvoll behandelt zu werden.
    Einmal wage ich mich bis zur Badehose ins Meer,
    um mich ein wenig abzukühlen. Ich schaue Sara und
    ihren Cousins zu, wie sie einen Frisbee über das Wasser werfen. Und dann erspähe ich in einiger Entfer-
    nung etwas, was wie eine Boje mit Haaren aussieht.
    Es ist Antonio, dessen fellbezogener Bauch aus dem
    Wasser ragt. Dort, wo er faul vor sich hin treibt, kann ich noch gut stehen, also wate ich langsam zu ihm
    hinüber. Er blinzelt mich an und sagt: »Komme erein, meine liebe Jung.«
    »Ich kann nicht schwimmen.«
    »Musste ni könne, kannste ja schweben.«
    »Schweben?«
    Antonio paddelt ins seichtere Wasser und stellt
    sich hin. Er funkelt mich mit seinen Scheinwerfern
    an, ganz ernst.
    »Bringi dir bei, iste viel einfache, als du denkste.«
    Dann befiehlt er mir, mich rückwärts in seine Ar-
    me fallen zu lassen. Ich tue ihm den Gefallen, denn ich bin kein Spielverderber. Er hält mich fest und
    greift unter meinen Rücken. Dann soll ich ruhig
    atmen und den Körper strecken. Ich spüre nicht, wie er mich loslässt, und erschrecke mich, als er plötzlich neben mir im Wasser liegt. Aber das Gefühl ist groß-
    artig. Wir schweben dahin, eine weiße und eine be-
    haarte Boje, und sehen in den Himmel, wo sich kleine Wolken küssen.
    Toni hat keine Heimat mehr, denke ich, während er
    neben mir treibt und leise summt. Er träumt meis-
    tens auf Deutsch, aber in Deutschland ist er immer
    Gast geblieben. Und Italien versteht er nicht mehr.
    Also ist er heimatlos.
    Als hätte er meine Gedanken gelesen, sagt Antonio
    plötzlich: »Weißte du, wo völlig egal iste, ob man
    Italiener iste oder Deutscher?«
    »Keine Ahnung«, antworte ich, ohne wirklich über-
    legt zu haben.
    »Im Himmel da oben iste ganz egal.«
    Wir schweben noch lange weiter im diamantenen
    Meer von Termoli. Am Abend habe ich einen Sonnen-
    brand auf dem Bauch. Ich bin glücklich.

Danke
    Die meisten Geschichten in diesem Buch sind wahr,
    andere sind erfunden, wieder andere lassen sich
    beim besten Willen nicht nachprüfen. Es handelt sich also insgesamt, um Fiktion, denn wenn nur eine
    Kleinigkeit in meinen Schilderungen nicht der Wahr-
    heit entspricht, dann hat alles automatisch als ausge-dacht zu gelten. Es greift also die Regel: Alle Namen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit
    lebenden oder toten Personen sind rein zufällig und unbeabsichtigt. Ich habe alle Vor- und Zunamen von
    Verwandten und Freunden geändert. Nur den Vor-
    namen von Antonio Marcipane nicht, denn er kann
    nicht anders heißen.
    Mein Dank gilt Rudolf Spindler, Eva Fischer und
    Dominik Wichmann vom Süddeutsche Zeitung Ma-
    gazin sowie Sylvia Neuner für die Illustrationen.
    Barbara Laugwitz gebührt Dank für ihre große
    Geduld und Hilfe. Danke außerdem an Nonna
    Emma, Mario, Anna, Nazario, Michèle, Nunzio,
    Davide, Lia, Assunta. Luigi, Dorothea – und natür-
    lich an Antonio, ohne den es dieses Buch nie gegeben hätte.

    Zentaur 2006-01-11
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