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Maria, ihm schmeckts nicht!

Maria, ihm schmeckts nicht!

Titel: Maria, ihm schmeckts nicht!
Autoren: Jan Weiler
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früh zu Bett, aber ich höre Antonio im
    Haus herumgeistern. Er sieht sich schon in seinem
    neuen Auto. Braver stolzer Kunde.
    Am nächsten Tag geht es zum Autohaus, gleich
    nach dem Frühstück fahren wir los. Antonio ist so
    aufgeregt, als ginge es zur Tanzstunde. Er hat sich in Schale geschmissen und sieht aus wie einer, der
    Autos verkauft und nicht wie einer, der eines kaufen will. Auf dem Weg zum Händler erklärt er mir, wie
    man handelt, nämlich indem man den anderen
    kommen lässt. Immer kommen lassen, nur reagieren
    und im richtigen Augenblick den Sack zu machen.
    Ich rieche den Jagdinstinkt an ihm, seine Goldzähne funkeln, als er rückwärts einparkt und den Kopf
    nach hinten dreht.
    Wir betreten die verschwenderisch leere Ausstel-
    lungshalle. Hier verbieten sich sogar leise Gespräche oder klackende Schuhe, wahrscheinlich darf man
    hier auch nicht mit kurzen Hosen hinein, das gebie-
    tet der Anstand. Wir machen keinen Mucks, für einen Moment fühle ich mich wie ein Eindringling. Dabei
    wollen wir hier heute viel Geld ausgeben. Absurd.
    Wir müssten brüllen dürfen für die Kohle und in
    Topfpflanzen schiffen. Aber wir schleichen durch
    diesen Tempel der Mobilität als sei es die Sixtinische Kapelle. Kein Mensch da, nur wir. Antonio streicht
    mit seiner beringten rechten Hand über die Neu-
    wagen, liest die Schilder, er lebt, er genießt, kostet den Neuwagenduft und sieht sich nach Menschen
    um, die ihn bedienen könnten, die ihm Champagner
    anbieten, ihm schmeicheln, ihm Ihre Seele anbieten, damit er ein Auto bei ihnen kauft. Das Geld dafür
    hat er in der Herrenhandtasche, die an seiner Linken baumelt. Aber niemand interessiert sich für uns.
    Schließlich finden wir doch noch einen Verkäufer.
    Er sitzt gut getarnt hinter einer Hydrokultur an einem Schreibtisch und telefoniert offenbar mit einem Freund. Nach einigen Minuten sieht er uns an, nein: er sieht durch uns hindurch. Wir sind Luft. Er lacht, schreibt, klemmt den Hörer zwischen Hals und
    Schulter ein, dreht uns den Rücken zu. Antonio steht stocksteif vor ihm.
    Schließlich dreht sich der Bursche wieder um, wohl
    um zu gucken, ob wir noch da sind. »Warte mal
    einen Augenblick«, sagt er ins Telefon und sieht Antonio herablassend an.
    »Ja. bitte?«
    »Gute Tag, mein liebe Mann, wir haben Interesse an
    eine Ihre schöne Autos, bitte«, sagt Antonio feierlich.
    In diesem Augenblick ist er mir so nahe wie noch nie zuvor. Oh, wie ich diesen kleinen Mann liebe.
    »Die Gebrauchten sind draußen. Da können Sie
    sich gerne umsehen.« Er lächelt blöde und deutet zur Tür. Dann dreht er sich wieder um.
    »Toni, lass uns gehen«, flüstere ich.
    Antonio antwortet nicht, er bleibt einfach stehen.
    Toni hat das Geld. Er könnte hier ewig stehen, wenn er wollte. Der Verkäufer dreht sich nach ein paar
    Minuten wieder um und ist ziemlich überrascht,
    dass wir noch da sind. Er atmet laut aus.
    Er zeigt mit dem Hörer zum Parkplatz. »Gehen Sie
    schon mal raus, da kommt gleich jemand zu Ihnen.«
    »Wir wollen eine neuen Auto«, antwortet Antonio
    mit der Betonung auf »neuen«.
    Das passt dem Verkäufer jetzt irgendwie nicht in
    den Kram. Er ist jung, jünger als ich, hat eine leicht blondierte Fönfrisur und trägt einen Blazer mit
    Goldknöpfen, ein gestreiftes Hemd und eine Motiv-
    Krawatte (Oldtimer), die von einer Nadel am Hemd
    festgehalten wird. Ich schaue in Antonios Gesicht
    und lese darin, dass er den Typ mag. Antonio MAG
    diesen Mann. Er will sein Freund sein, denn beide
    verbindet etwas und das heißt Mercedes.
    »Du, ich muss Schluss machen. Ja, ja, ich habe
    Kunden hier. Na klar, irgendwer muss ja das Geld
    verdienen, nicht wahr? Ich sag immer: Nicht die
    Zeiten sind schlecht, sondern die Verkäufer.«
    Er legt auf und glotzt uns erwartungsfroh an.
    »So, gut. Woran haben Sie denn gedacht, damit wir
    das Thema mal einkreisen.«
    »I brauch eine neue Auto.«
    »Das wollen die meisten«, lacht er uns an. Auf sei-
    nem Namensschild lese ich »Martin Kleinschmid«, er
    ist offenbar der Sohn des Hauses, auf dessen Dach
    derselbe Nachname steht.
    »Ein großes Auto«, fährt Antonio fort, »fur der Ur-
    laub genau wie jeden Tag, in eine schöne Farbe und
    mit bissl Komfort dabei.«
    Kleinschmid steht auf und gibt Antonio die Hand
    ohne ihn dabei anzusehen. Eine Geste ohne Wert.
    Mich ignoriert er.
    »Ja, da haben wir jetzt tausend und eine Möglich-
    keit. In welcher Preisklasse darf denn das Fahrzeug liegen?«
    »Mussen wir baldowern«, sagt
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