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Maria, ihm schmeckts nicht!

Maria, ihm schmeckts nicht!

Titel: Maria, ihm schmeckts nicht!
Autoren: Jan Weiler
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Sachverhalt gerichtlich aufgearbeitet werden, und
    alle Marchpanes schauen gebannt auf den Bild-
    schirm, wo ein Staatsanwalt im Foyer des campobas-
    soschen Gerichtsgebäudes steht und Gewichtiges zu
    den Ermittlungen zu sagen hat. »Alles Lumpen«,
    brummt Raffaele, der ja ein leise gestörtes Verhältnis zu staatlichen Einrichtungen hegt.
    Im Hintergrund hampelt ein Mann herum und hält
    ostentativ Akten in die Kamera. Er hat einen runden Kopf, der von einem dunklen Haarbüschel gekrönt
    wird und im Takt der Worte des Staatsanwaltes hin
    und her wackelt.
    »Das gibt’s doch gar nicht!«, schreit Antonio
    plötzlich. »Das ist Piselli!«
    Antonio ist elektrisiert. Sein Freund Piselli, den er aus schlechtem Gewissen verriet, damals nach dem
    Einbruch bei Signor Banane. Antonio will ihn
    unbedingt treffen. Gleich am nächsten Tag will er
    zum Gericht gehen und dort Pisellis Spur aufneh-
    men. Ich muss mit, denn Antonio wittert hier ein
    historisches Ereignis, das er nur mit mir teilen will, nachdem er mir so ausführlich von der Erbse erzählt hat.
    Wir brechen also auf und gehen zum Gericht. Dort
    beschreiben wir Piselli, dessen wirklichen Namen Antonio nicht weiß. Der Mann, der im Empfang hinter
    schusssicherem Glas sitzt und Schokolade isst, kann mit unseren Schilderungen zunächst nichts anfangen.
    Erst als Antonio pantomimisch den von schwarzen
    Locken bebüschelten Erbsenkopf und dessen Haltung
    auf den Schultern imitiert, nickt der Wachmann und
    greift zum Telefon. Er wählt eine Nummer und
    bedeutet uns dann unfreundlich, wir sollten uns auf die Bank setzen. Wir warten zehn Minuten, und eben
    will Antonio noch einmal einen Vorstoß wagen, da
    öffnet sich unvermittelt eine Sicherheitstür und
    heraus kommt – Piselli. Bandenführer, genialer Kopf derer von der Porta Mancina, in die Verbannung
    geschickt und seit über vierzig Jahren aus Antonios Leben verschwunden.
    »Was wünschen Sie?«, fragt er Antonio unverwandt.
    »Piselli! Erkennst du mich denn nicht, Antonio.
    Marcipane. Andó!«
    Piselli mustert ihn lange und sagt schließlich: »Ich heiße nicht Piselli. Sie verwechseln mich.«
    Selbst ich spüre, dass er lügt.
    »Aber Piselli! Weißt du nicht mehr? Signor Banane!
    Der Plan!«
    »Banane ist tot.«
    Also erinnert er sich doch.
    »Du bist Antonio Marcipane?«
    »Na, endlich klingelt’s.«
    »Du hast mich verraten damals.«
    »Nein, ich habe nur gebeichtet. Die Beichte ist heilig. Wer sollte denn wissen, dass Pater Alfredo die Klappe nicht halten kann?«
    »Jeder wusste das, Andò. Versuch nicht, mich für
    dumm zu verkaufen. Und mach dir keine Sorgen, ich
    bin dir sogar dankbar dafür.«
    Wir gehen in einen Schnellimbiss am Bahnhof, und
    es stellt sich heraus, dass Piselli im Gericht als Pauser arbeitet. Er kopiert Verträge und Urteile und bringt sie von Abteilung zu Abteilung. Diese Aufgabe, so
    sagt er mit vollem Mund sprechend, habe er nur
    Antonio zu verdanken.
    Und das hat folgenden Grund: Nach seiner Zeit im
    Erziehungsheim ging es mit Piselli noch weiter berg-ab. Er wurde ein notorischer Kleinkrimineller, trieb sein Unwesen überall in der Region und arbeitete
    dann und wann an einem Gemüsestand auf dem
    Markt. Da er sich natürlich nie einen Anwalt leisten konnte, verbrachte er einen Großteil seiner Zeit in den Justizgebäuden von Campobasso und Termoli,
    wo er schon bald zum lebenden Inventar gehörte.
    Nach einigen Jahren traute man ihm zu, kleinere
    Botengänge außerhalb des Gerichtes zu verrichten.
    Er besorgte Blumen für den Richter oder das Mittag-
    essen für die Staatsanwälte, die ihn dafür mit milden Strafen belohnten. Irgendwann gelobte Piselli feierlich, dem Verbrechen abzuschwören, da sich seine
    Tätigkeiten im Gericht so weit verselbstständigt hatten, dass er sich als Teil des Justizapparates verstand und Kriminalität in jeder Ausprägung zu verab-scheuen begann. Sein Unverständnis für Straftäter
    ging so weit, dass er Falschparker vor dem Gerichtsgebäude anzeigte und seine eigene Mutter ans
    Messer lieferte, als diese einmal einen Satz Bettlaken aus dem Krankenhaus mitgehen ließ, wo sie wegen
    einer Darmverschlingung lag.
    Der geläuterte Piselli wurde als erfolgreich resozialisiert angesehen und arbeitete nun mit Pensionsan-
    spruch bei Gericht. Der Höhepunkt seiner Karriere
    war erreicht, als er schließlich den Schlüssel zu Ko-pierraum und Aktenlager erhielt und von da an Ein-
    sicht in jeden Fall erhielt, ein Privileg, das er nie aus-nutzte. Man kann
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