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Maria, ihm schmeckts nicht!

Maria, ihm schmeckts nicht!

Titel: Maria, ihm schmeckts nicht!
Autoren: Jan Weiler
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Erlaub-
    nis, sich ein neues Auto zu kaufen. Ich habe nichts dagegen, eigentlich ist es mir egal. Mein Essen wird kalt. Also sage ich etwas möglich Progressives: »Du kannst ja auch ein Auto leasen.«
    »Leasen? Was iste leasen? Neee, magi nich. I habe
    immer meine eigene Auto gehabte, i bin do keiner
    von der Leute da?«
    »Was für Leute?«
    »Taxifahrer, bin I ein Taxifahrer?«
    »Ich dachte nur, so ein neues Auto ist doch teuer.«
    »A waas! I habe Gelde wie Eu.«
    Na, wenn das so ist. Tatsächlich stellt sich heraus, dass er den Wiederverkaufswert für seine alte Schüssel etwas hoch angesetzt hat. Nach seiner Berech-
    nung gibt er seinen Wagen beim Händler ab und be-
    kommt dafür noch etwa die Hälfte des Preises, den
    er vor acht Jahren bezahlt hat.
    »Wenn Du viel Glück hast, bekommst Du für die
    Kiste noch 3000 Euro«, sage ich. Ich würde das jetzt gern etwas abkürzen.
    »Äh? Du Gangster, iste viel zu wenig. Du Betruger.«
    »Ich meine ja bloß, aber Du kannst ja ein kleineres Auto kaufen.«
    Stille.
    »Was ist zum Beispiel mit einem VW, die sind auch
    gut.«
    Bedrohliche Stille.
    »Antonio?«.
    Er antwortet, indem er zwischen jedes Wort eine
    Pause setzt: »I bin Stammkunde bei Daimler. Gute
    Kunde mit ein bissen Geschmacke und Gelde vielleit
    au mehr als Du denkste. I bin kein Kirchmaus.«
    »Das sagt ja auch keiner, Himmelswillen. Aber das
    musst Du ja nicht mit mir diskutieren, sondern mit
    dem Autoverkäufer. Mir ist das doch im Prinzip egal.«
    »Nichte egal, das iste deine Auto.«
    »Mein Auto?«
    »Iste Deine, liebe Jung. Wenn i sterbe, kriegst Du
    der.«
    Um Gottes willen!
    »Deshalbe musst Du mit aussuchen.«
    Au Backe.
    Sara fragt von hinten, was mit dem Essen sei. Ich
    halte den Hörer zu und flüstere »Wir bekommen ein
    Auto geschenkt.« Jeder andere Mensch würde in so
    einem Moment zumindest hellhörig. Meine Frau
    reagiert auf derart epochale Nachrichten mit erstaun-lichem Gleichmut, jedenfalls wenn sie von ihrem
    Vater kommen. Meistens tippt sie sich dann an die
    Stirn. »Sag ihm, dass wir essen«, zischt sie zu mir hinüber.
    »Du Antonio, wir e...«
    »Also kommste Du su mir und wir gehen zu Mer-
    cedes.«
    Hat es einen Sinn, diesem Mann etwas abzuschla-
    gen? Nein, leider nicht, denn er nimmt Absagen nicht wahr. Es ist gar nicht so, dass er darüber hinwegginge.
    Er bemerkt sie einfach gar nicht. Er ist ein lebendiges Beispiel dafür, dass Sender- und Empfänger-Modelle
    aus der Wissenschaft moderner zwischenmenschli-
    cher Kommunikation bei Italienern nicht funktionie-
    ren. Ich beobachtete einmal eine Viertelstunde lang einen Italiener in Finale Ligure, der an einer geschlossenen Supermarktkasse stand, weil dort die
    Schlange kürzer war, logisch, denn er stand ja alleine dort. Auch auf gutes Zureden des Personals rührte er sich nicht vom Fleck, bis die Kasse schließlich für ihn geöffnet wurde. Dies nahm er mit selbstbewusstem
    Gleichmut hin. Es schien, als habe er erst in dem
    Moment bemerkt, dass die Kasse geschlossen war,
    als sie geöffnet wurde. Ich habe auch schon Italiener erlebt, die auf ein teures Jazzkonzert gingen, ohne während der Darbietung auch nur für eine einzige
    Minute den Rand zu halten. Sie unterbrachen ihre
    Gespräche lediglich, um zu applaudieren. Es steht
    außer Frage, dass sie von der Musik rein nichts mit-bekommen haben. Aber es hat ihnen ausgezeichnet
    gefallen.
    Ich fühle mich natürlich geehrt, dass Antonio mich
    zum Erben seines neuen Autos machen will, auch
    wenn wir nicht denselben Geschmack haben. Da ich
    kein dummer Salat bin, fahre ich schon am nächsten
    Tag zu ihm.
    Als ich auf den Garagenhof der rheinischen Rei-
    henhaussiedlung einbiege, sehe ich Ursula, die den
    Mercedes poliert. Antonio steht daneben und gibt
    Anweisungen.
    Ich steige aus. »Sooo, 3000 E-Uro fur de perfekte
    Glanz hier?«, ruft er mir zu. »Musste ne Null dazu
    hängen!«
    Ursula umarmt mich und drückt ihr von der An-
    strengung glühendes Gesicht an das meine. Sie hat
    den Wagen gesaugt, gewaschen, die Scheiben gerei-
    nigt und den Lack poliert. Antonio hat ihr genau gesagt, wie sie das machen soll.
    »Abe wir der ganze liebe Tag gesaugt, gewasche,
    der Scheibe sauber gemacht und der polierte. Fein,
    was?«
    »Ich bin beeindruckt«, gebe ich zu.
    Im Wohnzimmer stapeln sich Prospekte von ver-
    schiedenen Autoherstellern, doch Antonio schwört,
    er habe nur vergleichen wollen, denn etwas anderes
    als ein Mercedes kommt für ihn nicht in die Tüte.
    Wir gehen
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