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Mari reitet wie der Wind

Mari reitet wie der Wind

Titel: Mari reitet wie der Wind
Autoren: Federica de Cesco
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fegte abgerissene Blätter und Staubfahnen durch die Luft. Maris Ohren waren ganz heiß, das Meersalz brannte auf ihren Lippen. Doch sie liebte den Wind, sie fand ihn schön. Nach einer Weile machte sie sich wieder auf den Weg. Es war bereits Nachmittag, als sie die Weide erreichte. Der Mistral hatte nachgelassen. Die Pferde hielten sich im Windschatten auf, in der Nähe der Teiche. Das Wasser drang unter ihren Hufen hervor, befleckte die Tiere mit schlammigen Spritzern. Zwei Viehhüter bewachten die Herde. Sie trugen die Tracht der Gardians: enge Hosen, buntes Hemd, einen Hut mit breiter Krempe. Sie hatten ein dreieckig gefaltetes Tuch um den Hals, zum Schutz vor den Insekten. Mari fiel auf, dass sie Sporen trugen. Sie runzelte wütend die Brauen. Nur Marcel Aumales Viehhüter trugen Sporen; die Gardians anderer Gutshöfe verachteten so etwas. Durch die trockenen Sträucher schlich sie sich näher heran.
    Ihre Augen schweiften nach allen Seiten, auf der Suche nach Paloma. Doch die Stute war nicht bei der Herde. Maris Unruhe wuchs, während das Meer lärmend gegen den harten Sand brandete. Wo mochte ihr Schimmel bloß sein? Die Gardians konnte sie nicht fragen; sie würden das Mädchen ärgerlich zurechtweisen. Mari schluckte würgend. Vielleicht hatte ein Kampfstier die Stute angegriffen? Vielleicht war sie verletzt oder verstümmelt? Mari wurde vor Angst fast schlecht. Da trug der Wind ein Geräusch heran, so schwach, dass es das Rauschen des Blutes in ihren Ohren hätte sein können. Sie hielt die Luft an und lauschte. Ihr Herz schlug stürmisch. Instinktiv wusste sie: In der Ferne wieherte ein Pferd! Das Wiehern kam von der anderen Seite der Landstraße, wo sich Marcel Aumales Gutshof befand. Die Entfernung war groß, aber der Wind, der aus dieser Richtung kam, trug die Geräusche weit über die Ebene. Mari zögerte, doch nur ein paar Augenblicke lang. Schon kletterte sie den Hang hinunter, lief über den Sand zurück, in dem noch ihre Fußabdrücke zu sehen waren. Als sie die Landstraße überquerte, erfasste sie der Wind mit voller Wucht. Der Himmel war fast grau, ein paar halb im Sand versunkene Sträucher bogen sich im Wind; nirgends gab es Schatten. Mari schwankte unter den Windstößen. Ihre Haut juckte, ihre Kehle war ganz ausgetrocknet. Sie atmete nur in kurzen Stößen. Jenseits der Straße standen Wacholderbüsche. Dahinter schaukelten Schirmpinien wie große dunkle Fächer im Wind. Das aufdringliche Rosa eines Hauses leuchtete wie Zuckerguss durch das Laub. Vorsichtig näherte sich Mari dem Gutshof. Das braune Ziegeldach war nach Süden gerichtet. Unter einem mit Binsen gedeckten Schutzdach standen zwei staubige Geländewagen. Ein sandiger Pfad führte zu einem schmiedeeisernen Tor. Dahinter lag ein Hof, mit Platten ausgelegt. Während das Mädchen unschlüssig vor dem Tor stand, hallte erneut das zornige Wiehern durch die Stille. Maris Herz tat einen Sprung. Paloma! Rasch und geduckt lief sie die Mauer entlang. Sie hörte einen Hund bellen, achtete jedoch nicht darauf. Hunde machten ihr keine Angst und außerdem war das Tor ja geschlossen. Wieder ertönte das Wiehern; ein Mann rief mit erboster Stimme ein paar Worte. Maris Zähne gruben sich in die Unterlippe. Lautlos schlich sie weiter, vorbei an den vergitterten Fenstern. Hinter dem Haus lag eine Koppel mit einigen Stallungen und einem Anbauschuppen. Ein Zaun aus großen weißen Stangen schloss das Gelände nach allen Seiten ab. Hier war die Erde locker und weich, gut für das Zureiten der Tiere geeignet. Mari duckte sich tiefer zwischen die Büsche. In der Mitte des Hofes standen zwei Männer und ein Junge. Sie hatten die Augen auf Paloma gerichtet, die mit wehender Mähne im Kreis herumjagte. Ihre geblähten Nüstern zogen die Luft ein, die verdrehten Augen ließen das rötliche Adernetz sehen. Einer der Männer, Gaston, war der Baile, der Oberaufseher auf dem Gut. Gaston war ein älterer Mann mit weißem Haar, dessen Gesichtshaut wie poliertes Leder glänzte. Mari kannte ihn gut und wusste, dass sein schroffes Aussehen ein weiches Herz verbarg. Sie hatte sich schon oft gefragt, warum ein Mann wie er für Marcel Aumale arbeitete. Der Junge neben ihm war Paulo, einer der Hilfshüter. Er hielt Paloma an der Leine, ließ sie jedoch laufen, während Gaston sie intensiv beobachtete. Der dritte Mann musste Marcel Aumale selbst sein. Mari sah ihn zum ersten Mal. Er war ein Stadtmensch, gedrungen und wohlgenährt, mit einem hübschen, nichtssagenden
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