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Marek-Miert 01 - Der dreizehnte Mann

Marek-Miert 01 - Der dreizehnte Mann

Titel: Marek-Miert 01 - Der dreizehnte Mann
Autoren: Manfred Wieninger
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dir offensichtlich auch nicht. Arbeitest du als Dressman für Übergrößen?“
    Während dieses pubertären Dialoges war Dr. Salek auf mich zugetreten und hatte meine Hand zu schütteln begonnen und ließ sie nun nicht mehr los. Seinen Vorzimmerdrachen besänftigte er mit einem einzigen Seitenblick und zog mich in sein Zimmer. Bevor er die gepolsterte Chefitätentür hinter uns schloß, witzelte er meiner großen Liebe zu: „Zwei Kaffee, bitte, Frau Zenz. Der für den Herrn kann ruhig vergiftet sein.“
    „Der wird auch vergiftet sein. Darauf können Sie Gift nehmen, Herr Doktor.“
    Hinter der Tür löste sich das Lächeln in seinem Gesicht auf wie ein bißchen Milch im Bodensee.
    „In Wirklichkeit hat sich alles geändert, Miert, seit der Trigonometrie und den unregelmäßigen Verben. Ich habe den Großteil meiner Haare verloren, meine Frau, meine Tochter ... in dieser Reihenfolge ...“
    „Mein Beileid.“
    „Kondolierst du mir etwa? Meine Damen treiben es doch bloß mit ihrem Golflehrer, den ich mehr recht als schlecht ernähre.“
    Es war schwierig, auf solche Bitterkeit zu antworten. Ich begnügte mich damit, teilnehmend zu blinzeln - wenn so etwas überhaupt möglich ist.
    „Was hast du verloren, Moby Dick?“ fragte Salek, der mir früher - in der Kreidezeit oder im Tertiär, so kam es mir jedenfalls vor - zur Hausübung aufgegebene Sallust- oder Cicero-Stellen für Liptauerbrote übersetzt hatte und der jetzt die Pathologie des Harlander Zentralkrankenhauses leitete, wovon er wahrscheinlich problemlos mehrere Golflehrer hätte ernähren können.
    Ich sah lange Reihen von Aktenordnern entlang, die auf Stahlrohrregalen die Wände von Saleks Büro fast vollständig bedeckten. Der Blick aus dem einzigen Fenster ging auf die kleine Verbrennungsanlage, in der der Sondermüll des Krankenhauses entsorgt wurde. Ein unprätentiöser Schreibtisch, zwei Stühle, ein kleiner Kühlschrank.
    Der Golflehrer hatte es wahrscheinlich besser.
    „Einen Klienten. Und im Silur oder im Quartär einmal eine Zeugin.“
    „Klienten? Doch kein Dressman?“
    „Nur ein kleiner Privatdetektiv, der eine deiner Leichen fleddern möchte, Longinus.“
    „Wen?“
    „Ein Unfallopfer namens Emma Holzapfel. Ich möchte soviel wie möglich über ihren Tod wissen. Sie muß gestern abend zur Sektion eingeliefert worden sein. Körperverletzung mit Todesfolge und anschließender Fahrerflucht. Hier in Harland.“
    „Gehe ich recht in der Annahme, daß dir die hiesige Kriminalabteilung oder ein Untersuchungsrichter jede Einsicht in das Protokoll verweigern würde?“
    „Ein hiesiger Richter würde mir nicht einmal die Uhrzeit verraten, selbst wenn ich ihn auf Knien darum bitten würde.“
    „Und die Polizei?“
    „Dito. - Ich arbeite allein. Ich habe nur dich, Longinus.“
    „Diesmal wird es dich mehr als ein Liptauerbrot kosten, Miert.“

IV
    „Das Liptauerbrot, Miert.“
    Salek hatte das Deckenlicht angeknipst und blickte mich an wie durch einen Schleier aus Milch.
    Vier überlange Tische aus Aluminium bildeten die einzige Einrichtung des fensterlosen Kellerraumes, abgesehen von einem mit Knorpelmessern, Knochensägen, Darmscheren und ähnlichen Gerätschaften vollgestopften Glaskasten. Aus einem Abfluß im weiß gekachelten Boden schimmerte eine grünliche Flüssigkeit. Der Motor der Klimaanlage setzte ratternd ein. Es roch schwach nach Ammoniak und tausend erstorbenen Ängsten.
    Auf jedem der vier Tische lag etwas. Aber was immer es auch war, es wurde von grünen Plastikplanen verdeckt.
    „Einige Krankenschwestern tragen beim Pflichtpraktikum hier in der Pathologie Amulette in Form von übertriebenem Modeschmuck. Sie versuchen, ohne daß sie sich dessen allzu bewußt wären, den bösen Blick abzuwehren, den Blick aus tausend toten Augen, der an ihrem Vortragenden, an mir, hängengeblieben ist.“
    Ich spürte, wie der Tod in die Taschen meines Anzuges kroch. Der billige Stoff bauschte sich. Möglicherweise wurde dieser Effekt aber auch nur von einem Luftzug aus der Klimaanlage erzeugt.
    „Jeder hier in diesem Krankenhaus ist peinlich genau darauf bedacht, mich ja nicht zu berühren oder auch nur versehentlich zu streifen. Auf den Gängen etwa. Man vermeidet es nach Kräften, mir die Hand zu schütteln. In der Anstaltswäscherei stopfen sie meine Kittel und Hosen mit dem Besenstiel in die Maschine. Mein Tisch in der Kantine, es ist immer derselbe - tabu. Niemand plaziert sich dorthin, selbst wenn alle anderen Stühle besetzt
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