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Marek-Miert 01 - Der dreizehnte Mann

Marek-Miert 01 - Der dreizehnte Mann

Titel: Marek-Miert 01 - Der dreizehnte Mann
Autoren: Manfred Wieninger
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wollen Sie mich bedenken?“
    „Emma hat ihn erst gestern mitgebracht. Auch die Truhe wurde erst gestern geliefert. Emma wollte nicht sagen, woher das alles. Sie hatte auch einen neuen Job als Putzfrau. Sie wollte nicht sagen, wo.“
    „Überredet.“ sagte ich, “Ich nehme ihn.“
    „Sie werden viel Freude damit haben“, antwortete Lear. Dann stellte er eine Flasche und zwei Gläser auf den Tisch. Der Schnaps schmeckte nach leeren Pappkartons.

II
    Vor dem Aushang der Peepshow drängten sich einige lederbejackte Jünglinge. Glas splitterte. Die Fotos der ‘Künstlerinnen’ verschwanden unter den Hemden. Dann rochen sie noch vor mir die Polizei und verdrückten sich in mehrere Hauseingänge. Ich packte den Recorder in den Kofferraum meines Ford Granada. Dann sprintete ich zu einer Telefonzelle und tat so, als wählte ich eine Nummer. Schnell wie ein Fisch schoß der Streifenwagen aus der nächsten Seitengasse. Dahinter ein schlingernder Mannschaftstransporter.
    Sie boten das volle Programm. Die beiden Wagen kamen mit quietschenden Reifen zum Stehen. Die Ladetür des Transporters flog auf. Ein Hundeführer der Alarmabteilung sprang auf die Straße. Sein Schäferhund sah aus, als wäre er schon seit mindestens einer Woche um seine tägliche Portion rohes Menschenfleisch umgefallen.
    Zwei weitere Beamte stiegen aus dem Streifenwagen. Rote Barette, schwarze Bomberjacken, hohe schwarze Schnürstiefel. Beide trugen je ein Sturmgewehr 77 mit langem Stangenmagazin. Bei der Festnahme eines unerwünschten Ausländers wurde offenbar nichts dem Zufall überlassen. Die kleine Armee stürzte sich selbdritt mit dem Hund in die Dunkelheit des Areals Eisnerstraße 117.
    Ich entschied mich nicht eigens dafür zu warten, denn Warten gehört zu meinem Beruf wie Ösophagus-Varizen zum Saufen. Allerdings lernt man das Warten nicht auf der Polizeischule, das Warten auf Godot, das Warten auf den letzten Akt eines anderen Stücks, dessen Schluß man schon längst auswendig kennt. Zum Warten muß man geboren sein: Ich warte, wie andere atmen.
    Der Feldzug war erfolgreich gewesen. Eingezwängt zwischen zwei Beamte trottete Kaddisch auf den Mannschaftstransporter zu. Seine Hände waren hinter seinem Rücken mit einer Eisenkette kurzgeschlossen. Er blutete aus einer Platzwunde an der Stirn.
    Ich tat so, als hängte ich den Hörer mit einer auffälligen Gebärde in die Gabel. Obwohl ich fast so gut wie Charlie Rivel war, interessierte sich nicht einmal Gott dafür. Ich sah nur mehr einen Abglanz der breiten Rücklichter des Transporters. Die Straße vor mir war menschenleer. Ich hatte gerade einen Klienten verloren. Am liebsten wäre ich jetzt auf der Kante meines Bettes gesessen und hätte einen großen, einen wirklich großen Bordeaux getrunken. Statt dessen boxte ich mir aufmunternd in den Magengrube und verließ die Telefonzelle.
    In meinem Beruf kommt es nicht darauf an, sich den schwarzen Gürtel in mindestens sieben Kampfsportarten über den Bauch schnallen oder vierundsechzig Zigarrensorten allein an ihrer Asche erkennen oder eine AK-47 in neunkommadrei Sekunden zerlegen zu können. All das ist unerheblich. Man muß auch kein Orchideen- oder Whiskeykenner sein, um in diesem Beruf - für den übrigens der Intelligenzquotient eines Hamsters durchaus ausreicht - bestehen zu können. Man muß sich einzig und allein gelegentlich in den eigenen Magen boxen und den Stein weiterhin den Berg hinaufzurollen versuchen.
    Mit der ersten Lungenfüllung Luft von außerhalb der Telefonzelle roch ich es: Sie hatten Kaddischs Hütte ganz einfach angezündet. Wohl um ihn ausreichend dazu zu motivieren, nie mehr in dieses Land zurückzukommen.
    Immer wenn ich Rauch rieche, denke ich an das Pfadfinderlager, an die durchschwitzten Strohsäcke, auf denen unmöglich einzuschlafen war, an die Zimmerschlachten mit nassen Handtüchern und Campingsesseln, an das Fett, das von den über dem Lagerfeuer gebratenen Würsten in die Glut tropfte, und an Feldzeugmeister Sorschak, der - angeblich zur Phimose-Vorbeugung (wie er später erklärte) - einigen, besonders zartgliedrigen Wölflingen so lange an den Eicheln herumzupfte, bis ihm einer seiner kleinen Lieblinge mit dem Fahrtenmesser die Nase abschnitt. Sorschak wurde für einige Tage illustriertenberühmt und dann in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher verbracht.
    Das Feuer hatte mittlerweile die Teerpappe auf dem Dach von Lears Schloß erreicht und begann mächtig aufzulodern. Lear hatte nun alles
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