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Marek-Miert 01 - Der dreizehnte Mann

Marek-Miert 01 - Der dreizehnte Mann

Titel: Marek-Miert 01 - Der dreizehnte Mann
Autoren: Manfred Wieninger
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verloren.
    Im Feuerschein konnte ich die Umrisse von Emma Holzapfels kleinem Körper erkennen, die mit weißer Kalkfarbe auf den Asphalt des Gehsteiges gepinselt worden waren. Ein Pfeil zeigte die Fahrtrichtung des Wagens an. Es war eine zeichnerisch akkurate Darstellung des Todes. Darüber hinaus gab es nichts, wofür sich nicht schon die Verkehrspolizei interessiert und es mitgenommen hätte.
    Nichts. Absolut nichts.
    Nichts - außer einem Kanalgitter auf der Fahrbahn etwa einen Meter von Emmas aufgemaltem Kopfumriß entfernt.
    Der Kanalschacht war verstopft; ein zähes, übelriechendes Gemenge aus Kippen, Papier- und Plastikfetzen, Laub, Dreck, Flaschenkorken und Präservativen reichte bis wenige Zentimeter unter das Gitter. Im letzten Licht des königlichen Brandes zwängte ich Daumen und Zeigefinger zwischen zwei Gitterstäbe und fischte einen Splitter gelben Scheinwerferglases aus dem verstopften Kanal. Dreieckig, scharf und von getrocknetem Blut befleckt lag das Beweisstück in meiner zitternden Hand, als ich es in völliger Dunkelheit zum Wagen trug.
    Ich wußte plötzlich, daß mir Kaddisch heute Nacht noch im Traum erscheinen und erklären würde, warum ich den Auftrag angenommen hatte: “Weil Sie ein dummer Mensch sind, Miert, und weil Sie dem Geruch frischen Blutes nicht widerstehen können.”

III
    „Sagen Sie ihm einfach, Moby Dick sei hier.“
    „Na, vom Gewicht könnte es ja hinkommen, aber sind Sie auch wirklich sicher, daß Sie sich nicht mit Donald Duck verwechseln?“
    „Seit ich mit vier fast in der Badewanne ertrunken wäre, weiß ich, daß ich keine Ente bin.“
    „Und? Trinken Sie noch immer? Ist das vielleicht der Grund, warum Sie meinen, Dr. Salek jetzt stante pede sprechen zu müssen?“
    Emma Holzapfel hütete ihr Geheimnis. Es war nicht leicht, zu ihrem Leichnam vorzudringen und aus seinem Zustand Schlüsse zu ziehen. Die empirische Methode hat gemeinhin den Nachteil, daß sie mühevoll ist. In der Rolle eines werdenden Vaters kurz vor dem Nervenzusammenbruch hatte ich den Portier des Krankenhauses überwunden, unter dessen Loge nicht einmal eine rachitische Maus außerhalb der Besuchszeiten durchschlüpfen konnte, und danach glücklich den schmucken Jugendstil-Pavillon erreicht, in dem der Tod zu Hause war. Hoch über dem Eingang zum Pavillon auf einem blinden Giebelfenster hatte der junge Gustav Klimt ein unbemerktes Fresko hinterlassen: Man benötigte schon scharfe Augen, um über dem dritten Stock seine Salome zu erkennen; voll Angstlust gemalt, forderte die noch verschleierte Femme fatale nicht nur den Kopf des jüdischen Heuschreckenfressers, sondern den ganzen Mann.
    Im Gebäude selbst forderte eine etwas rezentere Salome in grüner Schwesterntracht gerade telefonisch den Sicherheitsdienst an. Ich hatte an diesem Morgen gerade zwei verbrannte Spiegeleier und etwas Blümchenkaffee mit einem Rest saurer Milch im Magen und war daher ihrem Charme nicht ganz gewachsen.
    „Sie würden einen wundervollen Staatsanwalt abgeben. Ihre zornigen grünen Augen ...“
    „Wenn Sie mich nach all den Frechheiten auch noch anbraten ...!“
    „Mit Ihrer Erlaubnis darf ich Ihnen meinen diesbezüglichen Wachtraum kurz skizzieren: Kerzenlicht, Mozart, eine geleerte Flasche Dom Perignon ...“
    „Ich wette, Sie können sich nicht einmal Eierlikör leisten ...“
    „... wir beide auf einem breiten Plüschsofa, Sie beugen sich über mich, vom Kerzenlicht mild gestreichelt ... und erwürgen mich liebestötend. Na, was sagen Sie zu meinen abartigen Wünschen?“
    „Die Wache ist in zwei Minuten hier.“
    „Zeit genug für Sie, mir noch schnell Ihre Liebe zu gestehen. Danke übrigens dafür, daß Sie mir keinen Stuhl angeboten haben.“
    Ich hatte die Sache wohl ein bißchen übertrieben, Salome griff blitzschnell zu einem großen, gußeisernen Locher und hob...
    „Moby Dick! Na, so eine Überraschung!“
    Hinter Salomes gespanntem Rücken war die Polstertür zum Chefzimmer aufgegangen, und Salek stand in derem Rahmen. Er stand sehr gebückt im Rahmen, denn es hatte sich nichts geändert: Schon im Gymnasium war er den Sternen näher gewesen als jeder andere. Nun hätte man in einem seiner Schuhe problemlos eine Geige transportieren können. Aber sein Haar war fast farblos und sehr dünn geworden, und sein Gesicht glänzte wie eine Neonröhre. Ich hatte einen schwer arbeitenden Mann vor mir - oder einen Krebspatienten.
    „Per aspera ad astra - es hat sich nichts geändert, Longinus.“
    „Bei
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