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Marco Polo der Besessene 2

Marco Polo der Besessene 2

Titel: Marco Polo der Besessene 2
Autoren: Gary Jennings
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Han.
    Gleichsam, um auszugleichen, was ihr in mancher Beziehung abgeht, ist die Sprache der Han überreich an blumigen Ausdrücken, gefälligen Wendungen und verzwickten Höflichkeitsfloskeln; aber auch die Umgangsformen dieser Mensche n sind von erlesener Verfeinerung. Dieses Volk gehört einer sehr alten und hochstehenden Kultur an, aber ob nun ihre elegante Ausdrucksweise und ihr anmutiges Betragen ihre Zivilisation vorantrieb oder einfach daraus hervorging, weiß ich nicht. Allerdings glaube ich, daß alle anderen Völker, die in enger Beziehung mit den Han leben, auch wenn sie kulturell beklagenswert unter ihnen stehen, von ihnen zumindest die Äußerlichkeiten einer fortgeschrittenen Kultur übernommen haben. Selbst in Venedig habe ich es erlebt, wie die Menschen, wenn schon nicht dem inneren Gehalt nach, so doch zumindest im Äußeren die über ihnen Stehenden nachgeäfft haben. Kein Ladenbesitzer ist jemals etwas Höherstehendes als eben ein Ladenbesitzer, doch derjenige, der feine Damen bedie nt, versteht es besser zu plaudern als derjenige, dessen Kundschaft nur Hafenweiber sind. Ein mongolischer Krieger mag von Natur aus ein ungehobelter Barbar sein, aber wenn er will -und zum Zeugnis führe ich die erste Schildwache an, die uns aufgehalten hatte -, vermag er sich ebenso höflich auszudrücken wie ein Han und sich Manieren zu befleißigen, die in einen höfischen Ballsaal passen.
    Selbst in dieser rauhen, handeltreibenden Grenzstadt war der Einfluß der Han überall zu spüren. Ich schlenderte durch Straßen mit Namen wie Blumiges Wohlwollen und Kristallener Duft und erging mich auf einem Marktplatz, der da hieß Produktiver Unternehmensgeist und Gerechter Austausch, ich sah unbeholfene mongolische Krieger Vogelbauer mit buntgefiederten Singvögeln darin ebenso kaufen wie Gläser mit schimmernden winzigen Fischen darin, mit denen sie ihre schmucklosen Soldatenunterkünfte verschönern wollten. Jeder Verkaufsstand auf dem Markt trug ein Zeichen, ein langes schmales senkrecht herunterhängendes Brett, und Vorübergehende erboten sich, mir die im mongolischen Alphabet oder in den Schriftzeichen der Han darauf geschriebenen Worte zu dolmetschen. Abgesehen davon, daß auf jedem Brett zu lesen war, was an diesem Verkaufsstand feilgehalten wurde: »Fasaneneier zur Herstellung von Haarpomade« oder »Würzigduftendes Indigo-Färbemittel«, trug jedes auch noch ein paar gute Ratschläge: »Müßiggang und Klatsch sind guten Geschäften abträglich«, oder: »Frühere Kunden haben zu der traurigen Notwendigkeit geführt, keinen Kredit gewähren zu können«, oder ähnliches.
    Doch wenn es in Kashgar etwas gab, das mir zuerst die Augen darüber öffnete, daß Kithai anders war als andere Länder, die ich bisher kennengelernt hatte, dann war es die unendliche Vielfalt der Gerüche. Gewiß, jedes Gemeinwesen des Morgenlands hat einen besonderen Geruch, zumeist leider den scheußlichen nach altem Urin. Auch Kashgar war nicht frei von diesem schalen Geruch, doch konnte es daneben mit vielen anderen und angenehmeren aufwarten. Am stärksten fiel der kara-Rauch auf, der freilich nicht unangenehm war, zumal er für gewöhnlich auch noch mit zahllosen Weihrauchdüften gemischt ist, den die Leute in ihren Häusern und Läden sowie an ihren Andachtsstätten verbrennen. Außerdem konnte man zu jeder Tages- und Nachtzeit Essensdüfte riechen. Manches davon roch vertraut, so etwa der einfache, gute Duft von gebratenem Schwein, das in irgendeiner nichtmuslimischen Küche brutzelte und der einem das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ. Häufig erging es einem jedoch auch umgekehrt: der Gestank eines Topfes, in dem Frösche oder Hundefleisch gekocht wird, spottet jeder Beschreibung. Manchmal aber war es auch ein reizvoller exotischer Duft: der von gebranntem Zucker zum Beispiel, als ich einem Han zusah, der über einem Kohlebecken leuchtendfarbenen Zucker zum Schmelzen brachte und diesen süßen Brei dann wie durch Zauberhand in zarte Wattefiguren verwandelte -in eine Blüte mit rosigem Blütenkelch und grünen Blättern etwa, einen braunen Mann auf einem Schimmel, einen Drachen mit Flügeln aus allen möglichen Farben.
    In Körben auf dem Markt gab es mehr Arten von cha-Blättern, als ich für möglich gehalten hätte. Alle dufteten aromatisch, und keine zwei rochen gleich, dazu kamen Krüge mit Gewürzen und prickelnd scharfen Zutaten, die mir völlig neu waren; und Körbe mit Blumen, die Formen und Farben und Düfte aufwiesen,
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