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Marco Polo der Besessene 2

Marco Polo der Besessene 2

Titel: Marco Polo der Besessene 2
Autoren: Gary Jennings
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Abkömmlinge des Vollkommenen Kriegers. Man hätte meinen sollen, daß sie eine eng miteinander verbundene Königsfamilie gebildet hätten. Doch etliche stammten von verschiedenen Söhnen Chinghiz' ab, die Zweige der Familie hatten sich weiter voneinander entfernt, es lagen jetzt zwei oder drei Generationen zwischen ihnen, und nicht alle waren mit dem zufrieden, was ihrer aller Ahnherr ihnen von seinem Reich zugewiesen hatte.
    Der Ilkhan Kaidu zum Beispiel, auf dessen Aufforderung, zur Audienz zu erscheinen, wir jetzt warteten, war der Enkel von Kubilais Onkel Okkodai. Dieser Okkodai war in seiner Zeit selbst ein regierender Khakhan gewesen, der zweite nach Chinghiz, und offensichtlich verargte sein Enkel Kaidu die Tatsache, daß Titel und Thron an einen anderen Zweig der Familie gegangen war. Jedenfalls war Kaidu mehrere Male in die Abagha überlassenen Länder eingefallen, was gleichbedeutend war mit Gehorsamsverweigerung dem Khakhan gegenüber, denn Abagha war Kubilais Neffe, der Sohn seines Bruders und eigentlich sein enger Verbündeter in der sonst so streitsüchtigen Familie.
    »Bis jetzt hat Kaidu noch nie offen gegen Kubilai rebelliert«, sagte mein Vater. »Aber abgesehen davon, daß er Kubilais Lieblingsneffen ständig belästigte, hat er sich auch noch über viele Hoferlässe hinweggesetzt und sich Privilegien angemaßt, auf die er kein Recht hat. Und hat auch sonst die Autorität des Khakhan mißachtet. Wenn er uns für Freunde Kubilais hält, müssen wir in seinen Augen Feinde sein.«
    Klagend hob Nasenloch an: »Ich dachte, es gäbe nur einen kleineren Aufenthalt, Mirza. Sind wir statt dessen wieder in Gefahr?«
    Brummend sagte Onkel Mafìo: »Wie das Kaninchen in der Fabel sagte: ›Wenn es nicht der Wolf ist, dann ist es aber ein verdammt großer Hund‹.«
    »Wer weiß, vielleicht bringt er sämtliche Geschenke an sich, die wir nach Khanbalik bringen sollen«, sagte mein Vater. »Und zwar aus Trotz und Neid nicht minder denn aus Habgier.«
    »Bestimmt nicht«, sagte ich. »Denn das wäre ja offene Majestätsbeleidigung -einem Passierschein des Khakhan die Achtung zu versagen. Und Kubilai wäre fuchsteufelswild, nicht wahr, wenn wir mit leeren Händen an seinem Hof einträfen und ihm erklärten, warum.«
    »Aber nur, wenn wir auch bis dorthin kämen«, sagte mein Vater mit umdüsterter Stirn. »Im Augenblick ist Kaidu der Torhüter über diesen Abschnitt der Seidenstraße. Er übt hier die Macht über Leben und Tod aus. Wir können nur abwarten, was kommt.«
    Man ließ uns ein paar Tage warten, ehe wir aufgefordert wurden, vor dem Ilkhan zu erscheinen. Doch unsere Bewegungsfreiheit wurde nicht eingeschränkt. So verbrachte ich meine Tage damit, innerhalb der Mauern von Kashgar auf Entdeckungsreise zu gehen. Ich hatte längst die Erfahrung gemacht, daß es bei einem Grenzübertritt von einem Land ins andere nicht so ist, als durchschritte man ein Tor zwischen zwei völlig verschiedenen Gärten. Selbst in den fernen Ländern, die alle so exotisch anders sind als Venedig, brachte der Übergang von einem Land in das andere für gewöhnlich keine größeren Überraschungen als etwa der Übergang vom Véneto ins Herzogtum Padua oder Verona. Die ersten einfachen Leute, die ich in Kithai zu sehen bekommen hatte, sahen genauso aus wie die, unter denen ich mich nunmehr seit Monaten bewegte; auf den ersten Blick hätte man sogar meinen können, daß die Stadt Kashgar nichts weiter sei als eine etwas größere und besser gebaute Version der tazhikischen Handelsstadt Murghab. Sah man jedoch genauer hin, stellte sich heraus, daß Kashgar in vieler Hinsicht ganz anders ist als jede Stadt, die ich zuvor gesehen hatte.
    Neben den mongolischen Besatzern und Siedlern in der Nähe, gehörten zur Bevölkerung Tazhiken von jenseits der Grenze sowie Menschen sehr verschiedener Herkunft: Usbeken und Angehörige von Turkstämmen und weiß der Himmel, was für andere noch. All diese faßten die Mongolen unter den Namen Uighur zusammen, ein Wort, das eigentlich nur »Bundesgenosse« bedeutet; es sagt aber mehr aus als das. Die verschiedenen Uighurs waren mit den Mongolen nicht nur verbündet, sondern bis zu einem bestimmten Grade auch durch ein rassisches Erbe wie Sprache, Sitten und Gebräuchen mit ihnen verbunden, überhaupt sahen sie bis auf gewisse Abwandlungen in ihrer Kleid ung und ihrem Schmuck alle aus wie Mongolen -hatten eine ledrige Haut, Schlitzaugen, waren auffällig behaart, großknochig, vierschrötig und beleibt
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