Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Marco Polo der Besessene 2

Marco Polo der Besessene 2

Titel: Marco Polo der Besessene 2
Autoren: Gary Jennings
Vom Netzwerk:
ewig unter Eis und Schnee begraben ist. In einem so unwirtlichen Land war es vielleicht nur natürlich, daß die verschiedenen mongolischen Stämme (von denen einer sich »die Kithai« nannte) glaubten, nichts Besseres zu tun zu haben, als sich ständig zu befehden. Ein Mann unter ihnen jedoch, Temuchin mit Namen, scharte eine Reihe von Stämmen um sich und unterdrückte die restlichen einen nach dem anderen, bis alle Mongolen unter seinem Befehl standen und sie ihn Khan nannten, was soviel heißt wie Großer Herr; außerdem gaben sie ihm einen neuen Namen -Chinghiz -was soviel heißt wie Vollkommener Krieger.
    Unter Chinghiz Khan verließen die Mongolen ihre nördliche Heimat und ritten gen Süden -hinein in dieses immense Land, das bis dahin das Reich Chin gewesen war, eroberten es und nannten es Kithai. Die anderen von den Mongolen in der Welt gemachten Eroberungen brauche ich nicht aufzuzählen; sie sind der Geschichte nur allzu bekannt. Es genüge daher zu sagen, daß Chinghiz und die unter ihm stehenden Ilkhans und später seine Söhne und Enkel das Mongolen-Reich weiter nach Westen bis an den Fluß Dnjeper in der polnischen Ukraine sowie bis vor die Tore Konstantinopels am Marmara-Meer ausdehnten -welches wir Venezianer übrigens genauso wie das Adriatische Meer als unseren Privatteich betrachten.
    »Wir Venezianer haben das Wort ›Horde‹ dem mongolischen Wort yurtu entlehnt«, erinnerte mein Vater mich, »und haben die Räuber ganz allgemein als Mongolen-Horde bezeichnet.« Dann fuhr er fort, mir etwas zu erzählen, was ich nicht gewußt hatte. »In Konstantinopel habe ich von ihnen unter noch einer Bezeichnung sprechen hören, der Goldenen Horde. Das lag daran, daß die mongolischen Armeen, die hier einfielen, ursprünglich aus dieser Gegend kamen, und du hast ja gesehen, wie gelb die Ackerkrume hier aussieht. Teilweise aus Gründen der Tarnung haben sie ihre Zelte immer gelb gefärbt. Daher das Wort Gelbe Yurtu oder Goldene Horde. Diejenigen Mongolen jedoch, die aus ihrer Heimat Sibir gleich nach Westen gezogen sind, waren es gewohnt, ihre Zelte weiß anzustreichen wie den sibirischen Schnee. Als diese Armeen nun in die Urkraine einfielen, wurden sie von ihren Opfern die Weiße Horde genannt. Vermutlich gibt es noch andersfarbene Horden.«
    Hätten die Mongolen nie mehr als Kithai erobert, würden sie nicht viel haben, über das sie mit Stolz sprechen könnten. Immerhin handelt es sich um gewaltige Landstriche, die sich von den Bergen Tazhikistans ostwärts bis an das Kithai-Meer oder -wie manche Leute auch sagen -das Chin-Meer erstrecken. Im Norden grenzt Kithai an die sibirische Ödnis, aus der die Mongolen ursprünglich kommen. Im Süden grenzte Kithai damals, als ich das erste Mal hierher kam, an das Reich Sung. Doch wie ich an geeigneter Stelle noch berichten werde, eroberten die Mongolen später auch dieses Reich, nannten es Manzi und verleibten es dem Khanat Kubilais ein.
    Doch selbst damals, als ich das erste Mal hierherkam, war das Mongolen-Reich so gewaltig, daß es -wie ich schon wiederholt angedeutet habe -in zahlreiche Provinzen unterteilt wurde, die jeweils unter der Herrschaft eines anderen Ilkhan standen. Als die Grenzen dieser Provinzen festgelegt wurden, hatte man sich nicht sonderlich um die in Karten verzeichneten Grenzen von Gebieten gekümmert, die von inzwischen gestürzten Herrschern regiert worden waren. So war zum Beispiel der Ilkhan Abagha Herr dessen gewesen, was einst das Großpersische Reich gewesen war, doch gehörte zu seinen Besitzungen auch ein großer Teil dessen, was - westlich und östlich von Persien - einst Groß-Armenien und Anatolien und die India Aryana gewesen war. Dort grenzte Abaghas Herrschaftsbereich an die Länder, die seinem fernen Vetter, dem Ilkhan Kaidu, zugeteilt worden waren, der über das Gebiet von Balkh, das Hochland vo n Pai-Mir, ganz Tazhikistan und das westliche Gebiet der Kithaier Provinz Sin-kiang herrschte, wo mein Vater, mein Onkel und ich jetzt weilten.
    Daß die Mongolen nunmehr ein Riesenreich beherrschten und mächtig und reich geworden waren, hatte ihre beklagenswerte Neigung zu Bruderzwisten nicht verringert. Sie kämpften immer noch häufig gegeneinander, genauso wie sie es getan hatten, als sie in Sibir noch zerlumpte Wilde gewesen waren, ehe Chinghiz sie einte und der Größe entgegenführte. Der Khakhan Kubilai war ein Enkel dieses Chinghiz, und sämtliche Ilkhans der weiter entfernten Provinzen waren gleicherweise direkte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher