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Marco Polo der Besessene 2

Marco Polo der Besessene 2

Titel: Marco Polo der Besessene 2
Autoren: Gary Jennings
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wie ich ihnen nie zuvor begegnet war. Selbst in unserer Herberge der Fünf Glückseligkeiten roch es anders als in all den anderen, in denen ich bisher gewohnt hatte, und der Wirt verriet mir auch, warum. Der Putz der Wände enthalte roten Meleghèta-Pfeffer; dieser halte Insekten fern, sagte er, und ich glaubte ihm, denn diese Herberge war ganz einmalig frei von Ungeziefer. Da wir jedoch Frühsommer hatten, konnte ich seine andere Behauptung -daß der scharfe rote Pfeffer die Räume im Winter wärmer mache - nicht überprüfen.
    Ich sah keine anderen venezianischen Kaufleute in der Stadt und auch keine genuesischen oder Pisaner Konkurrenten von uns; trotzdem waren wir Polo nicht die einzigen weißen Männer. Oder zumindest sogenannte weiße Männer; ich entsinne mich, daß mich viele Jahre später ein Han-Gelehrter fragte:
    »Warum nennt man euch Abendländer eigentlich Weiße? Ihr habt doch eigentlich eine mehr ziegelrote Hautfarbe.«
    Doch wie dem auch sei, es gab noch ein paar andere Weiße in Kashgar, und deren Ziegelrot fiel unter den Hautfarben des Orients ungemein auf. Bei meinem ersten Streifzug durch die Straßen der Stadt sah ich zwei bärtige weiße Männer tief ins Gespräch vertieft; einer von ihnen war mein Onkel Mafìo. Der andere trug die Gewänder eines nestorianischen Priesters und besaß jenen hinterkopflosen Flachkopf, der ihn als Armenier auswies. Ich fragte mich, was mein Onkel wohl mit einem ketzerischen Klerikus zu bereden haben mochte, drängte mich jedoch nicht auf, sondern winkte nur zum Gruß, als ich an ihnen vorüberging.
    2
     
    An einem dieser Tage erzwungener Müßiggangs ließ ich die Mauern der Stadt hinter mir, um mir das Lager der Mongolen anzusehen -das sie ihr bok nannten -, mich im Gebrauch jener mongolischen Wörter zu üben, die ich kannte, und um neue dazuzulernen.
    Die ersten neuen Worte waren diese: »Hui! Nohaigan hori!« Nichts sollte ich jemals schneller lernen als sie, denn sie bedeuteten: »Hallo! Pfeift Eure Hunde zurück!« Ganze Rudel von großen Bulldoggen, denen der Geifer aus den Lefzen rann, trabten ungehindert durch das bok, und vor jedem yurtu-Eingang waren zwei oder drei angekettet. Auch lernte ich, wie die Mongolen stets die Reitgerte mitzuführen, um die Köter abzuwehren. Und früh lernte ich auch, die Reitgerte jedesmal draußen zu lassen, wenn ich eine yurtu betrat; denn sie mithineinzunehmen galt als ungehörig und stellte eine Beleidigung der menschlichen Bewohner dieses Zeltes dar, ließ sich daraus doch schließen, sie wären nicht besser als Hunde.
    Es galt jedoch noch andere als Höflichkeit geltende Verhaltensweisen zu beachten. Ein Fremder tat gut daran, vorm Betreten der yurtu selbst zwischen zwei Lagerfeuern draußen hindurchzuschreiten und sich auf diese Weise zu reinigen, wie es sich gehört. Auch tritt man beim Verlassen oder Betreten nie auf die Schwelle einer yurtu; und im Inneren zu pfeifen gilt als Gipfel ungehörigen Benehmens. Diese Dinge lernte ich, weil den Mongolen sehr daran gelegen war, mich zu empfangen, mich in ihre Lebensweise einzuführen und mich nach der unsrigen auszufragen. Der Eifer, den sie darin bewiesen, war sogar überwältigend. Wenn es einen Zug gibt, der noch die Wildheit übertrifft, mit der sie feindlichen Außenseitern begegnen, dann ist es die Neugier, die sie friedlichen Fremden entgegenbringen. Der häufigste Einzellaut in ihrer Rede ist ein »uu«, nicht eigentlich ein Wort, sondern ein Laut gewordenes Fragezeichen.
    »Sain bina, sain urkek! Gute Begegnung, guter Bruder!« begrüßte mich eine Gruppe von Krie gern, um sich dann augenblicklich zu erkundigen: »Aus welchen Landen unter dem Himmel kommt Ihr?«
    »Aus den Landen weit unter dem Himmel des Westens«, sagte ich, woraufhin sie die Augen aufrissen, soweit das ihre Schlitzäugigkeit zuließ, und dann riefen sie aus:
    »Hui! Jene Himmel sind gewaltig und liegen schützend über vielen Ländern. In Eurem Land im Westen -habt Ihr dort unter einem Dach gewohnt, uu, oder in einem Zelt, uu?«
    »In meiner Heimatstadt unter einem festen Dach. Aber ich bin seit langem unterwegs und habe dort unter einem Zelt gelebt, wenn nicht gar ganz unter freiem Himmel.«
    »Sain!« riefen sie aus und verzogen den Mund zu einem breiten Lächeln. »Alle Menschen sind Brüder, stimmt's nicht, uu? Aber diejenigen, die unter Zeltdächern leben, sind womöglich noch engere Brüder, einander so innig verbunden wie Zwillinge. Willkommen, Zwillingsbruder!«
    Woraufhin sie sich
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