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Marco Polo der Besessene 2

Marco Polo der Besessene 2

Titel: Marco Polo der Besessene 2
Autoren: Gary Jennings
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verbeugten und mich durch Gesten in eine yurtu hineinbaten, die einem von ihnen gehörte. Abgesehen davon, daß auch sie transportabel war, hatte sie nicht viel gemeinsam mit meinem klapprigen Schlafzelt. Das Innere bildete nur einen einzigen runden Raum, doch maß dieser bequem sechs Schritt im Durchmesser, und die Decke erstreckte sich noch ein gutes Stück über dem Kopf eines aufrechtstehenden Mannes. Die Wände bestanden aus schulterhohen Lattengerüsten, die durch Schnüre miteinander verbunden waren, und darüber wölbte sich das Dach kuppelförmig nach innen. In der Mitte befand sich ein kreisrundes Loch, durch das der Rauch vom wärmespendenden Kohlenbecken entweichen konnte. Die hölzernen Lattengerüste trugen die äußere Bedeckung der yurtu: einander überlappende Bahnen aus dickem, mit Hilfe von Lehm gelb gefärbtem Filz, die kreuz und quer mit Stricken an dem Gerüst festgezurrt waren. Die Einrichtung bestand aus nur wenigen und sehr einfachen Dingen von allerdings guter Qualität: Teppiche auf dem Boden und Lagerstätten aus Kissen, die gleichfalls aus leuchtendfarbenem Filz bestanden. Die yurtu war wetterbeständig und warm wie jedes feste Haus, nur ließ sie sich binnen einer Stunde abbauen und in kleine Bündel verschnüren, die leicht genug waren, von einem einzigen Tragtier transportiert zu werden.
    Die Mongolen, die mich begrüßt hatten, und ich traten durch den von Filzvorhängen verschlossenen Eingang, der bei allen mongolischen Bauten nach Süden wies. Man gab mir zu verstehen, ich solle auf dem »Lager des Mannes« Platz nehmen; der Herr der yurtu beansprucht immer den Platz an der Nordseite, und als ich dort Platz nahm, blickte ich in den Gutes verheißenden Süden. (Die Lagerstätten von Frauen und Kindern waren an den weniger bedeutungsvollen Seiten aufgeschlagen.) Ich sank auf die filzbedeckten Kissen, und mein Gastgeber drückte mir ein Trinkgefäß in die Hand, das einfach ein Widderhorn war. In dieses Horn goß er aus einem Lederbeutel ein strengriechendes, bläulichweißes dünnes Getränk.
    »Kumis«, sagte er, sei das.
    Ich wartete höflich ab, bis alle Männer gefüllte Hörner in der Hand hielten. Dann richtete ich mich nach dem, was sie taten, das heißt, ich steckte die Finger in den kumis und spritzte ein paar Tropfen in die vier Himmelsrichtungen. So langsam und gut, daß ich begreifen konnte, erklärten sie mir, auf diese Weise grüßten sie »das Feuer« -im Süden -, »die Luft« -im Osten -, »das Wasser« - im Westen - und »die Toten« -im Norden. Dann hoben wir alle das Horn, nahmen einen tiefen Schluck, und ich beging einen bedauerlichen Bruch der Etikette. Kumis, so sollte ich erfahren, ist den Mongolen als Getränk so lieb und teuer wie den Arabern ihr qawah. Ich fand, es schmeckte abscheulich, und beging den unverzeihlichen Fehler, diese Meinung durch meinen Gesichtsausdruck zu erkennen zu geben. Die Männer setzten alle bekümmerte Mienen auf. Einer von ihnen meinte hoffnungsvoll, mit der Zeit würde ich diesen Geschmack schon liebenlernen, und noch jemand meinte, die beschwingende Wirkung würde ich bestimmt noch mehr schätzen. Doch mein Gastgeber nahm mein Horn, trank es leer und füllte es dann aus einem anderen Lederbeutel und reichte mir das Trinkgefäß mit den Worten zurück: »Das ist arkhi.«
    Arkhi roch zwar besser, doch nippte ich nur vorsichtig daran, denn es sah genauso aus wie kumis. Dankbar stellte ich fest, daß es wesentlich besser schmeckte, etwa so wie ein mittelmäßiger Wein. Zustimmend lächelnd nickte ich und erkundigte mich nach der Quelle ihrer Getränke, denn ich hatte keinerlei Weingärten in der Nähe gesehen. So war ich verblüfft, als mein Gastgeber stolz erklärte:
    »Aus der Milch gesunder Stuten.«
    Außer Rüstung und Waffen stellen die Mongolen noch zwei Dinge und nur diese beiden Dinge her; beide sind das Werk der Frauenhände, und beiden war ich soeben begegnet. Ich saß auf filzbedeckter Lagerstatt in einem filzgedeckten Zelt, und ich trank ein aus Stutenmilch gewonnenes Getränk. Ich glaube zwar, daß die Mongolinnen die Kunst des Spinnens und Webens kennen, sie jedoch als weibisch verachten, denn diese Frauen sind echte Amazonen. Doch wie dem auch sei, alles Gewebte, das sie am Leibe tragen, kaufen sie von Nichtmongolen. Wahre Künstlerinnen sind sie jedoch darin, Tierhaare zu klopfen und miteinander zu verbinden, so daß Filze jeden Gewichts entstehen: von den schweren yurtu-Bedeckungen bis zu einem Tuch, das so weich und
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