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Marco Polo der Besessene 2

Marco Polo der Besessene 2

Titel: Marco Polo der Besessene 2
Autoren: Gary Jennings
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ich es nämlich durchaus genossen habe - immer -, dabei aber immer das Gefühl hatte, eigentlich dürfte ich das nicht. Ich habe nie begriffen, was es war: es muß daran gelegen haben, daß ich etwas genoß, was rechtens eigentlich meiner Mutter zugestanden hätte.«
    »Wie lächerlich. Alles, was ich an deiner Mutter so gemocht habe, habe ich auch in dir gefunden. Und mehr. Du hast mir viel, viel mehr bedeutet, Donata - und warst mir viel teurer -, als sie es jemals war.«
    Donata fuhr sich mit der Hand übers Gesicht, als wolle sie eine Spinnwebe fortwischen, die sich dort festgesetzt hatte. »Wenn sie es nicht war, und wenn es auch keine andere Frau war, dann muß es die große Ferne gewesen sein, von der ich immer das Gefühl hatte, daß sie zwischen uns stand.«
    »Komm, komm, meine Liebe! Ich bin seit unserer Hochzeit kaum jemals aus deinen Augen gewesen, und niemals außer Reichweite.«
    »Körperlich nicht, nein. Aber in den Teilen von dir, die ich weder sehen noch erreichen konnte. Du bist von jeher in die Ferne verliebt gewesen. Du bist nie wirklich heimgekommen. Es war nicht ganz lauter von dir, eine Frau aufzufordern, mit einer Rivalin um deine Liebe zu kämpfen, die sie nie besiegen konnte. Die Ferne. Die fernen Horizonte.«
    »Du hast mir, was diese fernen Horizonte betrifft, ein Versprechen abgenommen. Ich habe es gegeben - und gehalten.«
    »Jawohl. Körperlich hast du es gehalten. Du bist nie wieder fortgereist. Aber hast du je an etwas anderes gedacht oder von etwas anderem gesprochen als von Reisen?«
    »Gèsu! Wer ist jetzt unlauter, Donata? Seit fast zwanzig Jahren bin ich passiv und willig gewesen, wie jener zerbino an der Tür dort drüben. Ich habe dir Besitzrecht über mich eingeräumt, du konntest bestimmen, wo ich sein und was ich tun sollte. Beschwerst du dich jetzt, daß ich dir nicht auch die Herrschaft über meine Erinnerungen, über meine Gedanken,
    meine Tag- und Nachtträume eingeräumt habe?«
    »Nein, ich beschwere mich nicht.«
    »Aber damit ist die Frage, die ich gestellt habe, nicht
    eigentlich beantwortet.«
    »Auf manche hast du selbst keine Antwort gegeben, Marco, aber ich will sie nicht weiter verfolgen.« Endlich nahm sie ihren Trauerblick von mir und nahm ihre Handarbeit wieder auf. »Worüber streiten wir uns schließlich? Es spielt alles keine Rolle mehr.«
    Wieder hielt ich offenen Mundes inne und sprach nicht aus, was ich sagen wollte -beide taten wir das, nehme ich an. Nochmals durchmaß ich nachdenklich den Raum.
    »Du hast recht«, sagte ich zuletzt und seufzte. »Wir sind alt. Wir sind über die Leidenschaft hinaus. Hinaus über Streben und
    Streiten. Hinaus über die Schönheiten der Gefahr und die Gefahren in der Schönheit. Was richtig von uns war und was unrichtig - es spielt heute wirklich keine Rolle mehr.«
    Auch sie seufzte auf und beugte sich über ihre Näherei. Gedankenverloren stand ich eine Weile da und beobachtete sie über den Raum hinweg. Sie saß in einem Bündel Septemberlicht, wo sie am besten sehen konnte. Die Sonne tat nicht viel dazu, ihr nüchternes Gewand zu beleben; sie hatte den Kopf gesenkt, doch in ihrem Haar spielte das Licht. Es hatte eine Zeit gegeben, da hätte dieser Sonnenschein ihre Zöpfe golden aufleuchten lassen wie reifes Getreide. Jetzt hatte ihr geneigter Kopf mehr den süßen und schwermütigen Schimmer des zu Garben gebundenen Korns: ein ruhiges, mattes Rehbraun, auf dem der erste Reif des Herbstes lag.
    »September«, sann ich und war mir nicht klar darüber, daß ich es laut aussprach.
    »Wie bitte?«
    »Nichts, meine Liebe.« Ich durchmaß die Kammer, beugte mich über sie und drückte ihr einen Kuß auf das liebe Haupt nicht voll heißer Liebe, wohl aber auf eine liebevolle, väterliche Weise. »An was arbeitest du denn da?«
    »Parechio. Eine Kleinigkeit für die Hochzeit, für den Honigmond. Es kann ja nichts schaden, frühzeitig anzufangen.«
    »Fantina kann von Glück sagen, eine so fürsorgliche Mutter zu haben.«
    Donata blickte auf und bedachte mich mit einem leichten, scheuen Lächeln. »Weißt du, Marco… ich habe gerade nachgedacht. Das Versprechen, das du mir gegeben hast -du hast es wohl gehalten, aber es läuft allmählich aus. Ich meine -Fantina kurz vor der Hochzeit und so gut wie aus dem Haus. Bellela verlobt, Morata praktisch erwachsen. Wenn du dich immer noch sehnst, irgendwohin zu fahren…«
    »Wieder hast du recht. Ich hatte zwar nicht gezählt, aber es stimmt, ich bin fast wieder frei, nicht
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