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Marco Polo der Besessene 2

Marco Polo der Besessene 2

Titel: Marco Polo der Besessene 2
Autoren: Gary Jennings
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vor dem Oberhaupt der Familie auch noch unterstützt? Ich halte das für verwerflich. Ich komme mir nachgerade vor wie der Prophet, von dem Jesus spricht demjenigen, der überall etwas gilt, nur in seinem Vaterlande und seinem eigenen Hause nicht.«
    Lächelnd hörte Donata sich meine Tirade an und handhabte unerschütterlich ihre Nadel. Als ich ganz außer Atem war, sagte sie: »Die Mädchen sind jung. Junge Leute finden uns ältere oft langweilig.«
    Nochmals stapfte ich wütend im Raum auf und ab, bis mein Schnaufen sich legte. Dann sagte ich: »Alt! Wahrhaftig! Man sehe sich an, was für ein trauriges Bild wir alten Leute bieten. Ich für mein Teil kann jedenfalls behaupten, daß ich auf die ganz normale Weise alt geworden bin -einfach durch die Zahl der Jahre. Aber bei dir wäre das nicht nötig gewesen, Donata.«
    »Alle werden alt«, sagte sie gelassen.
    »Du bist heute praktisch genauso alt, Donata, wie ich es bei unserer Hochzeit war. War ich damals alt?«
    »Du standest auf dem Höhepunkt deines Lebens. Stattlich und ansehnliches Mannsbild, das du warst. Aber Frauen altern anders als Männer.«
    »Nicht, wenn sie nicht wollen. Du konntest nur nicht schnell genug die Jahre hinter dich bringen, in denen du Kinder bekommen konntest. Ich habe dir vor langer Zeit schon gesagt, daß ich ganz einfache Hilfsmittel kenne, die verhindern, daß…«
    »Das sind Dinge, die ein Christ nie in den Mund nehmen sollte. Und vor christlichen Ohren nie ausgesprochen. Ich will heute genausowenig davon hören wie damals.«
    »Hättest du mir damals zugehört«, sagte ich anklagend, »brauchtest du heute kein Herbstfächer zu sein.«
    »Ein was?« sagte sie und blickte zum ersten Mal auf.
    »Das ist ein sehr vielsagender Ausdruck, den die Han haben. Ein Herbstfächer, das bedeutet: eine Frau, die über die Jahre hinaus ist, da sie reizvoll und attraktiv wirkt. Verstehst du, im Herbst ist die Luft kühl, und es besteht keine Notwendigkeit mehr, einen Fächer zu betätigen. Und siehst du, deshalb ist eine Frau, die aufgehört hat, weiblich zu wirken, wie du das absichtlich getan hast, bloß, um zu verhindern, daß du noch mehr Kinder…«
    »Hast du die vielen Jahre«, unterbrach sie mich mit sehr leiser Stimme, »hast du die vielen Jahre jemals darüber nachgedacht, warum das so war?«
    Den Mund noch offen, hörte ich auf zu sprechen. Sie ließ die Handarbeit auf den Rock aus schwarzer Baumwollseide sinken, faltete die vergilbten Hände darüber, sah mich mit den trüben Augen an, die einst strahlend blau gewesen waren, und sagte: »Ich habe aufgehört, eine Frau zu sein, als ich mir nichts mehr vormachen konnte. Als ich es überdrüssig wurde, mir selber einzureden, du liebtest mich.«
    Erschrocken und ungläubig bunkerte ich mit den Augenlidern und konnte kaum sprechen. »Donata, war ich jemals etwas anderes als zärtlich und voller Verständnis für dich? Habe ich dir gegenüber in irgendeiner Weise gefehlt? War ich jemals weniger als ein guter Ehegatte?«
    »Siehst du! Nicht einmal jetzt sprichst du das Wort aus.«
    »Ich dachte, das versteht sich von selbst. Tut mir leid. Nun gut dann. Ich habe dich geliebt.«
    »Da war etwas oder jemand, den du mehr liebtest; das ist immer so gewesen. Selbst wenn du mir am nahesten warst, Marco, bist du mir nie wirklich nahe gewesen. Ich konnte dir ins Gesicht schauen und sah, wie fern du warst. War das eine Entfernung in Meilen oder an Jahren? War es eine andere Frau? Gott verzeih mir, daß ich es glaube, aber… war es nicht meine Mutter?«
    »Donata, sie und ich waren Kinder!«.
    »Kinder, die getrennt werden, vergessen einander, wenn sie erwachsen sind. Aber du hast geglaubt, ich wäre sie, als wir uns das erste Mal begegneten. Noch in unserer Hochzeitsnacht habe ich mich gefragt, ob ich nicht bloß ein Ersatz wäre. Ich war eine Jungfrau, gewiß, und unschuldig. Alles, was ich wußte, daß es mich erwartete, hatten mir ältere Vertraute gesagt, und du machtest es viel besser, als ich es erwartet hatte. Trotzdem, ich hatte weder den Kopf verloren noch war ich beschränkt, wie das bei unseren nicht gerade besonders klugen Töchtern vielleicht sein könnte. An der Art, wie wir einander umarmten, Marco… das hatte… irgendwie etwas Unrechtes. Beim allererstenmal und auch jedesmal später.«
    Rechtschaffen betroffen, sagte ich steif: »Du hast dich niemals beklagt.«
    »Nein«, sagte sie und machte ein nachdenkliches Gesicht. »Und auch das gehörte dazu, daß es nicht recht schien: daß
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