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Mappa Mundi

Mappa Mundi

Titel: Mappa Mundi
Autoren: Justina Robson
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Berater mit der Tagesordnung befassten. Sie schaute General Bragg an, der ihren Blick mit einem unerschrockenen Abscheu erwiderte, unter dem die frühere Version Marys innerlich gezittert hätte. Diese Mary hingegen erschütterte er nicht. Sie starrte Bragg nieder, denn sie wusste seit der Verwirrung sehr gut, wer sich verschworen hatte, das Projekt und das Land ins Mittelalter zurückzuführen, und dafür hatte sie Beweise, die sie bei Bedarf vorlegen konnte.
    »Miss Delaney?«, sprach der Vizepräsident sie an. »Würden Sie bitte beginnen?«
    Und das tat sie. Mit klaren, einfachen Begriffe erklärte sie die Pläne, die das NSC für Mappa Mundi hatte. Das Projekt war ein Erfolg. Sie hatte es geschafft. Guskow hatte verloren. Sie hatten gewonnen.
    Nachdem die Übereinkunft weiterzumachen bestätigt und angenommen worden war, beschloss sie, einen Spaziergang durch das Einkaufszentrum zu unternehmen, um einen klaren Kopf zu bekommen. Das Herbstwetter war plötzlich abgekühlt, und die Luft war mit einem Mal frisch und belebend. Mary blickte auf das Lincoln Memorial und den Teich, auf dem sich das Licht spiegelte, ohne an etwas Besonderes zu denken, als ein Mann neben ihr nieste. Es war ein gewaltiges Niesen, und sie erschrak so heftig, dass ihr Arm und ihr Brustkorb mit einem durchdringenden Schmerz übereinander scharrten. Sie hörte, wie er mit britischem Akzent zu einem Begleiter sagte: »Komme gerade erst aus Europa. Schreckliche Grippewelle. Ein einziger Albtraum. Ich hoffe, ich habe Sie nicht angesteckt …«
    »Klingt nach einer Epidemie«, entgegnete sein Begleiter unbekümmert. »In Asien ist auch eine ausgebrochen.«
    »Grippewellen kommen immer aus Asien«, stimmte der Kranke ihm zu und nieste drei weitere Male krampfartig.
    Mary wusste nicht, was aus Natalie Armstrong geworden war, doch die Daten aus der Anlage bewiesen schlüssig, dass Patient X sich aufgelöst hatte, und sie vermutete, dass der amerikanische Schlag eine Gegenmaßnahme wäre, aber nicht der Erstschlag. Rasch zog sie ein Taschentuch aus ihrer Handtasche und hielt es sich über Mund und Nase. Ihre MUV war nach wie vor aktiv, doch der Gedanke, Deliverance einzuatmen, behagte ihr gar nicht, ganz gleich, was es transportierte.
    Auf der Avenue blieb sie stehen und nahm ein Taxi zurück zum Pentagon. In einer Stunde fand ein Treffen der Vereinigten Generalstabschefs statt, auf dem die Strategie zum Einsatz von Mappaware besprochen werden sollte. Mary stand am Bordstein, und ein Taxi fuhr heran; sie wartete und beobachtete es, als sie plötzlich aus dem Augenwinkel etwas Schwarz-Weißes erblickte, das sich ihr rasch näherte.
    Ihr Herz machte einen Satz, und sie wirbelte herum; beinahe rechnete sie damit, dass es auf die gleiche schreckliche Weise, wie Dans Leiche in ihrer Wohnung aufgetaucht war, Jude sein könnte.
    Sie wusste, dass Jude tot war. Mehr als zwanzig Kugeln hatten ihn fürchterlich entstellt; sie hätte ihn nicht ansehen müssen, um sich davon zu überzeugen. Trotzdem hatte sie es getan. Sie hatte sich dazu gezwungen, den Blick auf ihn zu senken, von der Seite, während Sanitäter sie unter dem sanften Herbsthimmel auf der Tragbahre festschnallten. Mit dem Gesicht nach unten lag er auf dem trockenen Boden der Zufahrt. Eine riesige Blutlache tränkte seine Kleidung und den Boden mit ausgedehnten, fast schwarzen Flecken.
    Die gesamte Umgegend war besprüht worden und der Erdboden entfernt, um das Blut und seine tödliche Fracht unter Kontrolle zu bringen, doch selbst jetzt war sie nicht hundertprozentig sicher, ob es gelungen war, jede einzelne Deliverance-Spore zu erfassen. Das Haus und das Grundstück waren abgesperrt und mit Desinfektionsmittel und Microtech-Lösungen eingeweicht worden, aber was sollte es? Es bedurfte nur eines einzigen Tieres … doch darüber wollte sie nicht nachdenken. Sie wollte sich nicht ausmalen, wie man Jude in einen Brennofen warf, wo er verbrannte wie eine Fackel, wie sein Gesicht und sein Körper in der ungeheuren Hitze, die nötig war, um NervePath und Micromedica zu zerstören, Blasen warfen und verschrumpelten. Trotzdem dachte sie daran. Jedes Mal, wenn sie etwas aus dem Augenwinkel sah.
    Doch obwohl sie diesmal taumelte, die linke Hand schützend erhoben, war da niemand. Das Taxi hielt neben ihr, und sie griff nach der Tür. Sie hörte eine Stimme, auch sie mit britischem Akzent, in sarkastischem Tonfall sagen: »Hola, Mary«, doch sie schien so nahe zu sein und so leise zu wispern, dass sie sich
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