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Mappa Mundi

Mappa Mundi

Titel: Mappa Mundi
Autoren: Justina Robson
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nicht noch schlimmer. Begreifst du denn nicht? Es ging nie um dich und mich. Es ging um die nationale Sicherheit. Es war nichts Persönliches.«
    Das hatte er sie schon einmal sagen gehört. »Da irrst du dich. Was du einstecken musst, nimmst du immer persönlich.«
    In ihr lief ein Kampf ab, ein Kampf zwischen unvereinbaren Impulsen. Sie wollte Macht, aber sie wünschte sich auch, gemocht zu werden. Sie wollte Herrschaft, aber keine Verantwortung. Sie wollte, dass er nachgab – und gleichzeitig wünschte sie, er würde am Ball bleiben und die Sache hier beenden, weil so weiterzumachen schwieriger war und am Ende nichts für sie heraussprang, was sie nicht schon erreicht hatte.
    Jude nahm ihr die Entscheidung ab. Sie fiel ihm wirklich leicht. Er brauchte nur an das Haar seiner Schwester zu denken, das nach Brand roch, an ihre glänzend rote Haut und ihre letzte Nachricht, in der sie geschrieben hatte, sie traue Mary, weil sie seine langjährige Freundin sei.
    Mit dem plötzlichen Gefühl, ein spitzer Gegenstand werde ihm aus der Brust gezogen, atmete er tief ein und wusste, dass er frei war.
    Selfware brachte einen Menschen sich selbst näher. So viel stand fest. Zum ersten Mal im Leben war Jude sich sicher, das Richtige zu tun, das einzig Passende, das Gerechtfertigte. Als er den Abzug drückte, erfüllte ihn ein Friede, der in seiner Erleichterung unbeschreiblich war.
    Die Kugel durchbohrte Marys Schutzanzug, zerbarst in ihr und schleuderte sie drei Meter nach hinten.
    Jude sah zu, wie sie zusammenbrach. Die Feuererwiderung traf ihn zehnmal stärker. Die Kugeln warfen ihn umher, und bevor er sein Gesicht die Erde berührte, wusste er, dass er tot war. Doch es spielte keine Rolle. Er war hier fertig. Er hatte seine Schlussworte gefunden und sie ausgesprochen, und es war Zeit zu gehen, bevor alles auf eine von hundert möglichen antiklimatischen Entwicklungen zerfiel. Er hatte nicht einmal genügend Zeit, um sich von irgendetwas auf Erden zu verabschieden, doch während er fiel, betrachtete er die Welt, die sich vor seinen Augen sanft entrollte wie ein langes Banner und von ihm davonflatterte in die auf ewig verlorenen Abgründe der dunkler werdenden, blauen Dämmerung. Er fühlte keine Schmerzen, und darüber war er froh. Es war, als würde er in einen Traum sinken, in die Tiefe gleiten …
     
    Natalie arbeitete schnell, sie nahm sich nicht einmal die Zeit, ein beiläufiges Wort mit den Leuten zu wechseln, sobald sie ihr die Terminals gezeigt hatten. Sie installierte die Systeme, indem sie die Disk ins Laufwerk rammte und einige Tasten drückte, dann eilte sie zu ihrem nächsten Ziel. Fünf waren geschafft. Fünf, und in mindestens vier davon wimmelte es vor Leuten, die herauszubekommen versuchten, wie sie wenigstens ein paar Prozent Preisnachlass erwirken konnten, wie das System zu manipulieren war und wie sie es am besten dazu einsetzten, ihren Vorgesetzten zu hintergehen, aber das war okay, weil sie nicht allein die Verantwortung tragen wollte, jeden verpfuscht zu haben; ein paar Ray Innises mehr, und die bittere Pille der Erkenntnis rutschte leichter herunter. Natalie setzte ihre Hoffnung auf Keine Angst und Kompromiss Bevorzugt, aber sie hoffte nicht, die Natur des Menschen auf irgendeine Weise ändern zu können. Wenn einmal das Geld auf Bäumen wuchs und alle in Harmonie lebten, ließ das Glück sich vielleicht maßschneidern und verkaufen. Bis dahin aber musste genügen, was sie hatte, und ob man es später als den Beginn einer neuen Ära bezeichnete oder die Todeszuckungen der guten alten Zeit nannte, würde sie wohl nie erfahren.
    Jedes Mal, wenn sie sich versetzte, verlor sie an Information.
    An Ziel Nummer sieben waren die Disks, die sie bei sich trug, schon unbrauchbar geworden, und die Reise war zu Ende. Natalie blickte den ruinierten Datenträger in ihrer Hand an, der nach außen hin makellos wirkte, in seiner Struktur jedoch solch schwer wiegende Fehler aufwies, dass das Programm, das er so lange befördert hatte, nun zerstört war. In Natalie sah es ähnlich aus, doch wie in Ians Fall wusste sie nur, dass sie etwas verloren hatte, aber nicht, was; darum war es nicht so schlimm, anders als wäre man normal und bemerkte das Ausmaß des Fehlens dessen, was verschwunden war.
    Auf einer Teeplantage in Indien saß sie an eine Steinmauer gelehnt, die zu einer Terrasse gehörte; in der samtenen Dunkelheit ringsum standen Teebüsche. Hinter ihr begannen die Verpackungsfabrik und ihre geheime Anlage zur
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