Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mappa Mundi

Mappa Mundi

Titel: Mappa Mundi
Autoren: Justina Robson
Vom Netzwerk:
nicht sicher war.
    Mary überkam plötzlich Benommenheit. Sie hielt sich am Sitz und am Türgriff fest. Ihren Körper spürte sie nicht. Vor ihren Augen verschwamm der Wagen und begann sich um sie zu drehen. Sie fühlte sich eisig und im nächsten Moment brennend heiß. Nacheinander überfielen sie unwiderstehliche Wut, Lust, Hochstimmung und Trübsal.
    »Wohin?« Der äthiopische Fahrer beobachtete sie gereizt im Rückspiegel. Sie hörte ihn zwar, doch seine Worte nahmen einen ganz eigenartigen Weg durch ihren Verstand.
    In der nächsten Sekunde war wieder alles, wie es sein sollte.
    Natalie zog ihren Rock straff, eine Bewegung, die gewohnt und ungewohnt zugleich war. Sie blickte an sich herab; ordentlich gekleidet, den Aktenkoffer neben sich, die Pistole, wohin sie gehörte. »Zum Pentagon«, sagte sie, um ihre Stimme zu prüfen. Sie funktionierte wie immer.
    Mit neu erwachtem Interesse sah Natalie/Mary die Stadt hinter den Fenstern vorbeiziehen, obwohl die schreckliche Erinnerung an Judes Tod nachklang. Er war fort, sie aber gab es noch, und sie befand sich in der Position, zur Abwechslung einmal etwas Gutes bewirken zu können, ganz wie er, Dan und Ian es gewollt hätten. Die komplizierte Frage, wer sie nun eigentlich war, erschien nicht mehr sehr wichtig.
    Materie ist nur mit Information beladene Energie, und Identität ist nichts anderes als Information. Einige Informationen durch andere zu ersetzen erwies sich als Kinderspiel. Mappaware hatte das bewiesen, und sie ergriff ihre Chance.
    Als sie ins Büro kam, grüßte sie die Sekretärinnen und ließ sich einen englischen Tee bringen – was das betraf, blieb alles beim Alten. Sie setzte sich, blickte sich um und bemerkte als Erstes, wie nichts sagend das Zimmer war. Es musste dringend freundlicher gestaltet werden. Inzwischen gab es genügend zu tun; es musste dafür gesorgt werden, dass die amerikanischen Bemühungen, die Freiheit des Geistes zu zerstören, keine weiteren Auswirkungen zeitigten, ehe die Bürger die Möglichkeit erhalten hatten, sich das Ganze einmal in Ruhe anzusehen.
    Als Erstes jedoch sandte sie Michail Guskow eine Nachricht ins Militärkrankenhaus, wo er unter Beobachtung stand, bis seine Behandlung und die Entfernung von Deliverance aus seinem Kreislauf abgeschlossen war.
    Natalie schrieb:
     
    Ich bezweifle, dass Sie sich die vielfältigen Folgen des Systems, das Sie und ich geschaffen haben, auch nur ansatzweise ausmalen können. Ich vermag es nicht, und dabei habe ich ihr ganzes Ausmaß gesehen. HKB und KA zeigen von allen Systemen die größte Verbreitung. Heute habe ich einen Artikel in der Washington Post gelesen, in dem es hieß: ›Der auffällige Anstieg der Zahl von Internet-Diskussionsgruppen, die sich mit etwas namens Mappaware befassen …‹ Ohne Zweifel haben Sie die neuen Systeme einsatzbereit, wenn ich Sie nächste Woche aufsuche. Die Beschränkungszahlen für die Selfware-Codierung befinden sich in der angehängten Datei (MW 1884), zusätzlich Einzelheiten über die Entwicklungsstadien, in denen sie jeweils übertragen werden sollten, einschließlich und bis zur Sublimierung. Bitte informieren Sie Calum Armstrong über meinen Verbleib, sobald Sie ihn sprechen.
    Nicht mehr, Mary Delany.

 
U PDATE
     
     
    Du folgst der Straße, genießt den Sonnenschein und die frische Luft nach einem Frühlingsregen. Du hast einen angenehmen Arbeitstag hinter dir, und nun kehrst du auf einem breiten, friedlichen Bürgersteig nach Hause zurück. Fast zwei Kilometer weit musst du gehen, aber du läufst gern, es ist gesund, und auf dem Weg kommst du an Geschäften vorbei, an der Post und an der Bank. Du kannst frischen Fisch einkaufen und Eiskrem zum Nachtisch. Im Augenblick gehst du am Park vorüber. Wie hübsch die Bäume darin sind!
    Du siehst eine Gruppe Kinder, die an den bunt gestrichenen Schaukeln spielen. Die Farben singen. Dein Sohn ist dabei, auf der blauen Schaukel, und er schaukelt höher als alle anderen. Du bleibst stehen, um ihm zuzusehen, und du überlegst, ob du dir die Zeit nehmen sollst, hinüberzugehen und ein bisschen Fußball mit ihm zu spielen, als ein Moskito um dich herum summt.
    Du schlägst ihn beiseite, aber einen Augenblick lang hast du geglaubt, er erzähle dir eine Geschichte. Etwas von einem Mädchen, das mit seiner Freundin aus dem Wald flieht. Dieses halb ausgegorene Zeug, das man ihnen heutzutage eingibt – wenn du zum Abendessen von ihnen gestochen wirst, dann möchtest du wenigstens eine wichtige
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher