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Man lebt nur zweimal

Man lebt nur zweimal

Titel: Man lebt nur zweimal
Autoren: Heiner Lauterbach
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mir eine Wurst!«
    »Das heißt bitte«, ergänzt Viktoria mechanisch, während sie sich die Ware im Verkaufstresen betrachtet.
    »Außerdem hat der Mann einen Namen, mit dem man ihn ruft«, ergänze ich, während ich schon nach einer passenden Wurst für meinen Wurstsalat Ausschau halte. Der Metzger nutzt die Zeit, um unsere erzieherischen Maßnahmen komplett zu hintertreiben und Vito das verlangte Stück Fleisch über den Tresen zu reichen. »Hier, mein Kleiner, da haste deine Wurst.«
    »Wie heißt er denn?«, will meine Tochter wissen. Ich kann mich noch nicht zwischen einer Lyoner und einer normalen Fleischwurst entscheiden. Vito bietet mir brüderlich die Hälfte seiner Wurst an.
    »Papa, wie heißt er?« Das war wieder Maya.
    »Wer?«
    »Der Metzger.«
    »Woher soll ich das wissen?«
    Ich schaue zum Metzger, der das gehört hat. Ich lächle ihn an, nach dem Motto – Kinder! Er lächelt nicht zurück. Mir fällt ein, wie oft wir hier schon eingekauft haben. Eigentlich müsste ich seinen Namen kennen.
    »Wie heißt du?«, will Vito nun vom Metzger wissen. Wieder mein »Kinder!«-Lächeln. Der Metzger lächelt immer noch nicht.
    »Wenn ich deinen Namen sage, krieg ich dann noch ’ne Wurst?«
    »Vito, das is ’ne Metzgerei und nicht die Heilsarmee. Wir kaufen Wurst und die kannst du dann zu Hause essen.« Ich versuchte das Geschachere, das sich nun anbahnte, zu verhindern.
    »Ich heiße Limm und wennstes richtig sagst, kriegst noch’n Stück.«
    »Und wenn ich Ihren Namen und bitte sag, krieg ich dann zwei Stücke«, schaltet meine Tochter Maya sich in die Verhandlungen ein. Jetzt ist es zu spät. Meine kleine Familie ist im Feilsch-Fieber. Auch Viktoria hat schon glühende Augen. In Sekundenschnelle verwandeln sie die kleine Münsinger Metzgerei in einen arabischen Bazar.
    Wenn ich mit Viktoria alleine einkaufen gehe, gestaltet sich die Szene nicht weniger peinlich für mich. Auch wenn wir nur eine Krawatte für mich kaufen wollen, fängt sie spätestens an der Kasse mit der Feilscherei an.
    »Was kann man denn da machen?«, fragt sie den Verkäufer.
    »Wie machen? Womit?«, fragt der verdutzt zurück.
    »Na mit dem Preis …«
    Mehr krieg ich meistens nicht mit, weil ich da schon draußen bin. Mir ist das immer peinlich. Ich habe Viktoria schon oft gebeten, das nicht zu tun. Zumindest nicht in meinem Beisein. Aber sie kann’s nicht lassen. Sie hat das einfach im Blut. Es ist ja auch nicht so, dass ich mich im Nachhinein nicht drüber freuen würde, Geld gespart zu haben. Meistens klappt es nämlich. Die Leute sind nicht mal böse oder genervt. Im Gegenteil. Oft habe ich das Gefühl, die mögen das. Am Anfang dachte ich, das sind selber Menschen mit arabischen Wurzeln, die gerne feilschen. Mit der Zeit wurden es aber zu viele, sodass ich die Theorie verwerfen musste. Vielleicht können sie einfach dem Charme meiner Frau nicht widerstehen. Ich könnte das gut verstehen. Ich kann’s ja auch nicht.
    DER ENTERTAINMENT-PAPI
    Abends sitze ich mit meinen Kindern oft noch auf dem Sofa, bevor wir sie ins Bett bringen. Vito und Maya haben schon ihre bunten Schlafanzüge an. Sie sind ein bisschen albern, weil sie langsam müde werden. Das heißt, sie sind auch albern, wenn sie hellwach sind. Eigentlich sind sie immer ein bisschen albern. Dafür überkommt die Kinder abends eine fast engelsgleiche Sanftheit, die ihren Charakter normalerweise nicht auszeichnet und die mein väterliches Herz natürlich sehr rührt. Obwohl Vito und Maya sich über den Tag oft zanken, können sie dann sehr lieb miteinander sein.
    Wenn Vito seiner Schwester mit feierlichem Ernst den Lieblingsball schenkt, guckt er dabei fast so staatstragend wie ein Politiker.
    »Hier Maya, der ist für dich. Weil ich dich so lieb habe.«
    Ich ahne allerdings, dass er es auch am nächsten Tag wie ein Politiker halten wird. Getreu dem berühmten Adenauer-Zitat: »Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern.« Damit weiß ich wenigstens schon, worüber morgen gestritten wird.
    Aber jetzt sind die zwei allerliebst. Tagsüber schafft man es kaum, ein Kind auf den Schoß zu nehmen und beispielsweise ein Gespräch mit ihm zu führen, weil sie, wie aufgezogene Duracell-Puppen, einfach nicht still sitzen können. Aber abends, kurz vor dem Zubettgehen, liegen sie wie Watte in meinen Armen. Ich lese ihnen noch ein wenig vor. Der Räuber Hinkefuß, Die kleine Hexe Schrumpeldei, Die Abenteuer des Ritter Rost, Der Plumssack – oder auch aus den Märchen aus 1001
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