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Mallorca Schattengeschichten

Mallorca Schattengeschichten

Titel: Mallorca Schattengeschichten
Autoren: Alex Conrad , Elke Becker
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Thermobehälter. Die Hände in das warme Blut tauchen, den Duft einsaugen, das berauschte ihn. Es war wie Kiffen - nur besser. Bekifft sein konnte jeder, er jedoch erlebte in seinen Augen die Königsdisziplin des Rausches.
    Nachdem er das erste Blutbild gemalt hatte, schrie er vor Enttäuschung auf. Das Blut veränderte sich im Trocknungsprozess, es färbte sich braun auf der Leinwand. Er besorgte sich verschiedene Laborchemikalien, die verhindern sollten, dass die Blutbestandteile sich absetzten, oxidierten und geronnen.
    Durch seine Adresse inmitten der Industrie- und Lagerstätten in der Hanauer Landstraße bekam er alles problemlos geliefert. Aus einem Mix von Antigerinnungsstoffen und alkoholbasierten Konservierungsmitteln schaffte er es, die Verfärbung im Trocknungsprozess auf der Leinwand zu verhindern. Nun galt es noch die Ausgangsfarbe in das perfekte Rot umzuwandeln, denn es gab durchaus Unterschiede. Er hielt sich verschiedene Tiere, ließ sie ausbluten, aber das Farbergebnis befriedigte ihn nicht.
     
    Eines Tages stieß er im Internet auf eine Nachricht, die alles veränderte. Familie durch Gasheizpilz im Wohnzimmer erstickt . Der nachfolgende Satz versetzte ihn in Erregung: Die Kohlenmonoxidvergiftung hinterließ bei den Toten eine kirschrote, lebendig wirkende Gesichtsfarbe, sodass der Unfallhergang ... Er starrte auf den Bildschirm. Das war die Lösung.
    Als die Gasflaschen mit dem Kohlenmonoxid eintrafen, startete er die ersten Tierversuche. Die Kadaver entsorgte er in einem kleinen Hochbrennofen, der sich in einem Nebenraum des Lagers befand. Das Rot war endlich perfekt.
    Er malte weiterhin mit normaler Farbe, mischte jedoch versuchsweise seine Blutbilder bei den Ausstellungen zwischen die anderen. Anschließend beobachtete er verstohlen die Besucher. Tatsächlich zog es sie vermehrt zu den Blutbildern, obwohl sich die abstrakten Motive nicht von denen der Farbbilder unterschieden.
    Wenn meine Blutbilder jetzt schon solch eine Wirkung haben, gibt es nur noch eine Steigerungsmöglichkeit, dachte Jay eines Abends im Atelier.
    Mittlerweile betrachtete er das Malen als lästige Pflicht, die Kür war das high sein des Zubereitens. Einem Ritual gleich streichelte er das Tier ein letztes Mal, verpasste ihm einen Maulkorb, an dem die Gasmaske hing, und leitete das Kohlenmonoxid ein. Zuvor gab er ihm noch eine Spritze, wie sie Schlaganfallpatienten bekommen, damit sich die Blutgerinnung herabsetzte. Das Präparat lieferten sie ihm genauso problemlos, wie alles andere. Wenn nach wenigen Minuten das Tier das Bewusstsein verlor, öffnete Jay mit einem raschen Schnitt die Halsschlagader über dem Auffangbehälter mit der Konservierungsmischung. Die berauschende Wirkung setzte ein, sobald der dampfende Blutdunst seine Nase erreichte. Dann noch die Hände eintauchen ... und sein Gehirn ging auf Reisen.
    Immer wieder beglückwünschte er sich zu seiner Standortwahl. Es gab schlichtweg keine Fragen, er konnte unerkannt agieren, niemand vermutete ihn hier.
     
    Eines Abends, in einer Kneipe in Sachsenhausen, kippte ihm ein naives Dummchen Ebbelwoi über die Hose. Ohne zu zögern, lud sie ihn zu sich nach Hause ein, um die Hose zu reinigen.
    Er sah seine Chance gekommen. »In meinem Atelier habe ich alles, was wir brauchen, und ein großes und bequemes Sofa gibt es auch.«
    »Du bist Künstler? Oh, Wow!« Sie hakte sich unter, zog ihn förmlich nach draußen.
    Nie hätte er zu hoffen gewagt, so leichtes Spiel zu haben. Im Atelier ließ sie sich bereitwillig auf ein Fesselspiel ein. Mit der Spritze in der Hand zögerte er nur kurz, als er in ihre aufgerissenen Augen blickte. Der Knebel im Mund verhinderte ein Schreien, dafür dauerte die Maskenprozedur mit dem Kohlenmonoxid etwas länger. Erregt bemerkte er, wie ihr Körper erschlaffte; wie der Augenblick des alles entscheidenden Schnittes gekommen war.
    Als er wieder zu sich kam, hatte er ihr Blut im Gesicht, am Hals, zwischen den Beinen. Er fühlte sich lebendig wie nie zuvor. Wie besessen arbeitete er mit der Blutfarbe auf der reinweißen Leinwand.
    Nur zwei Stunden später stand er vor ihm - seinem Meisterwerk! Ehrfürchtig betrachtete er sein Bild. In wenigen Wochen sollte die Ausstellung sein. Dieses Bild würde für Furore sorgen. Tiere brauchte er jetzt nicht mehr. Er hatte neue Farblieferantinnen für sich entdeckt.
    Das Zersägen der Leichen, damit sie in den Brennofen passten, war eine lästige Pflicht, die er ebenso gleichgültig erledigte, wie andere den
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